Die Entscheidung der Hebamme
»Wir haben die Menschen in den Dörfern, durch die wir auf dem Weg hierhergekommen sind, gewarnt. Sie sind längst mit ihrem Vieh in die Wälder geflüchtet.«
Ein Funke Hoffnung glomm auf in den Augen des jungen Ritters. »Jetzt müssen wir bloß sehen, dass wir selbst überleben, bis wir wenigstens die Burg des Feindes erreicht haben. Wer weiß, woran sie ihre Wut austoben, wenn sie die Dörfer verlassen vorfinden.«
Endlos viel Zeit schien zu vergehen, bis der Erzbischof doch noch den Befehl zum Aufbruch gab. Christian nutzte die Gelegenheit, um seine Begleiter darüber ins Bild zu setzen, was er erfahren hatte.
»Ist euch aufgefallen, dass die Kölner Ritter zumeist noch jung und sicher wenig kampferprobt sind?«, fragte Raimund in die Runde. »Entweder will der schöne Philipp nur junge Männer um sich haben, oder die Erfahrenen unter seinen Rittern haben sich erfolgreich davor zu drücken gewusst, mit der Rotte in den Krieg zu ziehen.«
»Ich weiß nicht, was von dem, das du da anzudeuten versuchst, ich widerlicher finde«, knurrte Lukas, während er aufstand und versuchte, ein paar feuchte Erdkrumen von seinem Bliaut zu klopfen.
Vergeblich, es hatte wieder zu regnen begonnen. Der dunklen Wolkenwand im Osten zufolge würden sie geradewegs in ein Unwetter hineinreiten.
Wichmanns fünfköpfige Gesandtschaft bekam einen Platz an der Spitze der Kolonne zugewiesen. Dabei richtete es Christian so ein, dass er stets in der Nähe des schwarzbärtigen Anführers der Söldner blieb.
Falls Philipp gehofft hatte, mit der in die Länge gezogenen Rast zu verhindern, dass sie vor Einbruch der Dunkelheit durch ein Dorf kamen, in dem sein Heer lagern konnte, so hatte er sich gründlich verrechnet. Während es zu dämmern begann, zeichnete sich vor ihnen eine schmale Kirchturmspitze ab. Mit wildem Grölen reagierte das Söldnerheer auf diesen Anblick.
Christian warf einen warnenden Blick auf Dietrich, der mit zusammengebissenen Zähnen anhören musste, wie ein paar Kerle hinter ihm lautstark ihre nächsten Schandtaten auszumalen begannen. Doch Dietrich hielt Wort und blieb beherrscht. Was sie tun konnten, um dem Dorf zu helfen, würde sich erst zeigen, wenn sie dort waren. Er hoffte, die Bewohner hatten sich und ihr Vieh in Sicherheit gebracht.
Bereits der Umstand, dass in der näher rückenden Ortschaft nur an einer einzigen Stelle Rauch aufstieg, sorgte für Murren im Trupp.
In Schritttempo ritt die Spitze des Heeres den Dorfweg entlang, aber keine Menschenseele ließ sich blicken.
Dietrich wollte bereits aufatmen, als ihnen doch noch jemand entgegenkam: der Dorfpfarrer.
Zaghaft humpelte er dem Reiterzug durch den Regen entgegen. Hoyer von Falkenberg befahl der Kolonne, zu halten.
Christian fragte sich zornig, warum wohl dieser Dummkopf von einem Pater seine eindringliche Warnung nicht befolgt hatte und nun für sich und andere tödliche Gefahr heraufbeschwor.
Doch der Geistliche gab schon selbst die Antwort.
»Gott zum Gruße, edle Herren«, begrüßte er sie mit zittriger Stimme. »Bitte sagt dem ehrwürdigsten Bischof …«
»Erzbischof«, fiel ihm der Brabanzonenführer höhnisch ins Wort.
»Vergebung, dem Erzbischof«, verbesserte sich der Pater, während er ängstlich auf den Hünen starrte, »… dass wir ihn willkommen heißen und Quartier in unserer bescheidenen Dorfkirche anbieten, wenn er damit vorliebzunehmen geruht. Jeden Augenblick kann ein Unwetter losbrechen … und er wird doch nicht unter freiem Himmel nächtigen wollen.«
»Du glaubst also nicht, Pfaffe, dass der ehrwürdige
Erz
bischof ausreichend gute Beziehungen zum Himmel hat, um beim Allmächtigen ein Wort für besseres Wetter einzulegen?«, hielt ihm der schwarzbärtige Söldnerführer grinsend vor.
Der Pater stammelte etwas, das niemand verstand, weil der Anführer nun absaß und seinen Berittenen das Signal gab, es ihm gleichzutun.
Christian tauschte einen kurzen Blick mit seinen Gefährten. Jetzt würde wohl unvermeidlich werden, was sie zu verhindern versucht hatten. Und das nur, weil sich ein einfältiger Dorfpfarrer bei einem Erzbischof anbiedern wollte.
Für einen Augenblick zog Philipp die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich, der den Pater zu sich winkte und ihm gelangweilt ein paar Fragen stellte, während der Dorfpfarrer ehrfürchtig vor ihm auf die Knie sank. Dann ging der Erzbischof in die hölzerne, schindelgedeckte Kirche.
Christian gab seinen Männern ein Zeichen, ihm in eine andere Richtung zu
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