Die Entstehung der Arten Illustriert - Ueber die Entstehung der Arten durch natuerliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der beguenstigten Rassen im Kampfe ums Dasein
organischer Wesen zahlreich in fossilem Zustande erhalten sind; dass die Anzahl der in unseren Museen aufbewahrten Individuen und Arten gar nichts bedeutet im Vergleiche mit der unberechenbaren Zahl von Generationen, die nur während einer einzigen Formationszeit aufeinander gefolgt sein müssen; dass an mannigfaltigen fossilen Spezies reiche Bildungen, mächtig genug um künftiger Zerstörung zu widerstehen, sich beinahe notwendig nur während der Senkungsperioden ablagern konnten und daher große Zeitzwischenräume zwischen den meisten unserer aufeinander folgenden Formationen verflossen sind; dass wahrscheinlich während der Senkungszeiten mehr Aussterben und während der Hebungszeit mehr Abändern organischer Formen stattgefunden hat; dass der Bericht aus diesen letzten Perioden am unvollständigsten erhalten ist; dass jede einzelne Formation nicht in ununterbrochenem Zusammenhang abgelagert worden ist; dass die Dauer jeder Formation wahrscheinlich kurz ist im Vergleich zur mittleren Dauer der Artformen; dass Einwanderungen einen großen Anteil am ersten Auftreten neuer Formen in irgend einer Gegend oder Formation gehabt haben; dass die weit verbreiteten Arten am meisten variirt und am öftesten Veranlassung zur Entstehung neuer Arten gegeben haben; dass Varietäten anfangs nur local gewesen sind. Endlich ist es, obschon jede Art zahlreiche Übergangsstufen durchlaufen haben muss, wahrscheinlich, dass die Zeiträume, während deren eine jede der Modifikation unterlag, zwar zahlreich und nach Jahren gemessen lang, aber mit den Perioden verglichen, in denen sie unverändert geblieben sind, kurz gewesen sind. Alle diese Ursachen zusammengenommen werden es großenteils erklären, warum wir zwar viele Mittelformen zwischen den Arten einer Gruppe finden, aber nicht endlose Varietätenreihen die erloschenen und lebenden Formen in den feinsten Abstufungen mit einander verketten sehen. Man sollte auch beständig im Sinn behalten, dass zwei oder mehrere Formen mit einander verbindende Varietäten, die gefunden würden, wenn man nicht die ganze Kette vollständig herstellen kann, als ebensoviel neue und bestimmte Arten betrachtet werden würden; denn wir können nicht behaupten, irgend ein sicheres Criterium zu besitzen, nach dem sich Arten von Varietäten unterscheiden lassen.
Wer diese Ansichten von der Unvollkommenheit der geologischen Urkunden verwerfen will, muss auch folgerichtig meine ganze Theorie verwerfen. Denn vergebens wird er dann fragen, wo die zahlreichen Übergangsglieder geblieben sind, welche die nächstverwandten oder stellvertretenden Arten einst mit einander verkettet haben müssen, die man in den aufeinanderfolgenden Lagern einer und derselben großen Formation übereinander findet. Er wird nicht an die unermesslichen Zwischenzeiten glauben, welche zwischen unseren aufeinander folgenden Formationen verflossen sein müssen; er wird übersehen, welchen wesentlichen Anteil die Wanderungen, – die Formationen irgend einer großen Weltgegend wie Europa für sich allein betrachtet, – gehabt haben; er wird sich auf das offenbare, aber oft nur scheinbar plötzliche Auftreten ganzer Artengruppen berufen. Er wird fragen, wo denn die Reste jener unendlich zahlreichen Organismen geblieben sind, welche lange vor der Bildung des cambrischen Systems abgelagert worden sein müssen? Wir wissen jetzt, dass wenigstens ein Tier damals existierte; die obige Frage kann ich aber nur hypothetisch beantworten mit der Annahme, dass unsere Ozeane sich schon seit unermesslichen Zeiträumen an ihren jetzigen Stellen befunden haben, und dass da, wo unsere auf und ab schwankenden Kontinente jetzt stehen, sie sicher seit dem Beginn des cambrischen Systems gestanden sind; dass aber die Erdoberfläche lange vor dieser Periode ein ganz anderes Aussehen gehabt haben dürfte, und dass die älteren Kontinente, aus Formationen noch viel älter als irgend eine uns bekannte bestehend, sich jetzt nur in metamorphischem Zustande befinden oder tief unter dem Ozean versenkt liegen.
Doch sehen wir von diesen Schwierigkeiten ab, so scheinen mir alle andern großen und leitenden Tatsachen in der Paläontologie wunderbar mit der Theorie der Descendenz mit Modifikationen durch natürliche Zuchtwahl übereinzustimmen. Es erklärt sich daraus, warum neue Arten nur langsam und nach einander auftreten, warum Arten verschiedener Klassen nicht notwendig zusammen oder in gleichem Verhältnise oder in gleichem Grade sich verändern, dass aber alle im
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