Sinnliche Versuchung in Italien
1. KAPITEL
Annabelle Marsh stand am Waschbecken und begann sich abzuschminken. In der Frau, die ihr aus dem Spiegel entgegenblickte, erkannte sie sich selbst kaum wieder. Ihr blondes schulterlanges Haar glänzte fast unnatürlich, die blauen Augen wirkten fast violett, Brauen und Wimpern dunkler, als sie in Wirklichkeit waren. Dank Make-up und Puder machte ihr Teint den Eindruck, makellos zu sein. Rouge betonte ihre hohen Wangenknochen, und der diskret aufgetragene Konturenstift ließ die Lippen voller und sinnlicher erscheinen. Nein, das war nicht sie. Das war das Werk einer Maskenbildnerin.
Gleich ein ganzer Schwarm guter Feen bemühte sich zurzeit darum, aus Annabelle das Beste zu machen. Die Kleider, die sie während der Fotoaufnahmen in Italien trug, stammten von einem römischen Couturier und der dazu passende Schmuck von einem bekannten Juwelier. Vor vier Tagen hatte das Shooting auf einer Luftwaffenbasis in der Nähe der Hauptstadt begonnen, wo sie vor einem MB-Viper-Kampfjet posieren musste. Das Modeln machte ihr Spaß. Sehr viel Spaß sogar. Insgesamt drei Wochen sollte sie das Amalfi – Girl spielen.
„Danach dürfen Sie sich, wenn Sie darauf bestehen, wieder in Ms Marsh zurückverwandeln“, hatte Giulio Cavezzali gesagt.
„In ein Aschenputtel, meinen Sie wohl.“
Annabelle hatte nach ihrer kurzen Ehe und der Scheidung vor zwei Jahren wieder ihren Mädchennamen angenommen. Doch ihr Selbstvertrauen war noch immer angeknackst.
„In ein Aschenputtel? Sie? Wenn Sie das wären, hätte ich Sie wohl kaum für das wichtigste Projekt meines Lebens ausgesucht.“
Diesen Tag vor zwei Monaten, an dem der temperamentvolle Wagenbauer nach Los Angeles gekommen war, um mit ihrem Chef Mel Jardine über die Auslieferung der nächsten Modelle zu sprechen, würde Annabelle wohl nie vergessen.
Mel gehörte der Autohandel, der die meisten Amalfi s in den Vereinigten Staaten verkaufte, und Annabelle war seine persönliche Assistentin. An diesem Tag hatte sie ihre Arbeit liegen lassen, um sich ausschließlich darum zu kümmern, es dem Gast so angenehm wie möglich zu machen. Doch Guilio bestand darauf, dass sie auch bei den Verhandlungen dabei war. Die Aufmerksamkeit, mit der er sie bedachte, ließ sie zunächst befürchten, der verheiratete ältere Mann habe ein Auge auf sie geworfen. Eine Annahme, die sich rasch in Luft auflöste, als er Mel deutlich machte, er wolle Annabelle als Fotomodell für eine Werbekampagne engagieren.
Sie fand das völlig abwegig, Mel aber meinte, sie solle sich den Vorschlag des Autoherstellers wenigstens anhören.
„Ehrlich gesagt, verstehe ich nicht, warum Ihre Wahl auf mich gefallen ist.“
„Das ist ganz leicht zu erklären. Die Cavezzali-Familie baut seit den fünfziger Jahren Autos, wie Sie wissen. Gute, solide, luxuriöse Autos. Ein Sportwagen gehörte zu unserer Produktlinie bislang nicht, obwohl ich seit Langem von der Herstellung eines tiefergelegten zweisitzigen Cabriolets geträumt habe. Jetzt ist es endlich so weit, dass es in Serie gehen kann. Wissen Sie, was das für mich als Designer bedeutet? Meine Visionen bezüglich der Gestaltung der Karosserie haben sich nicht nur als umsetzbar erwiesen, sondern dank meiner Konstrukteure ist es auch gelungen, diesen Prototyp mit einer exzellenten Technik auszustatten. Das betrachte ich als Krönung meines Lebenswerks, denn normalerweise geht man von dem umgekehrten Prozess aus. Man stellt erst die Funktion in den Vordergrund und passt ihr dann die Form an. Das ist eine Grundregel guten Designs. Und Sie verkörpern in meinen Augen die ideale Fahrerin für dieses Auto. Sie sind das geborene Amalfi – Girl.“
Sie lachte ungläubig.
„Endlich habe ich gefunden, was mir vorschwebte, um meinen Wagen bekannt zu machen: Sie.“
Die charmante Art und die Überschwänglichkeit des attraktiven gut sechzigjährigen Italieners wirkte ansteckend.
Sie schüttelte den Kopf.
„Doch. Ich meine es ernst. Ich suche schon seit Monaten nach der richtigen jungen Frau. Dabei hatte ich nicht einmal eine bestimmte Vorstellung von ihr. Ich habe nur gehofft, ihr irgendwann zu begegnen.“ Er strahlte sie an. „Und jetzt sitzt sie mir gegenüber. Sie sind einzigartig, so einzigartig wie mein Wagen. Mel kann Ihnen bestätigen, dass ich bisher noch keins unserer Modelle mit einem weiblichen Wesen beworben habe.“
Das stimmte. Annabelle kannte die Kataloge, Anzeigen und Werbespots sämtlicher Automarken der Firma.
„Ich fühle mich geschmeichelt,
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