Die Entstehung der Arten Illustriert - Ueber die Entstehung der Arten durch natuerliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der beguenstigten Rassen im Kampfe ums Dasein
tiefliegendes organisches Band, über Zeit und Raum dieselben Gebiete von Land und Meer, unabhängig von ihrer natürlichen Beschaffenheit, verbindend. Der Naturforscher müsste wenig Forschungstrieb besitzen, der sich nicht versucht fühlte, näher nach diesem Bande zu forschen.
Dies Band besteht einfach in der Vererbung, derjenigen Ursache, welche allein, soweit wir Sicheres wissen, einander völlig gleiche oder wie wir es bei den Varietäten sehn, nahezu gleiche Organismen hervorbringt. Die Unähnlichkeit der Bewohner verschiedener Gegenden wird der Modifikation durch Abänderung und natürliche Zuchtwahl, und, wahrscheinlich in einem untergeordneten Grade, dem bestimmten Einflusse verschiedener physikalischer Lebensbedingungen zuzuschreiben sein. Die Grade der Unähnlichkeit hängen davon ab, ob die Wanderung der herrschenderen Lebensformen aus der einen Gegend in die andere in späterer oder früherer Zeit mehr oder weniger wirksam verhindert worden ist; sie hängen ab von der Natur und Zahl der früheren Einwanderer, von der Einwirkung der Bewohner aufeinander, welche zur Erhaltung verschiedener Modifikationen führt, indem, wie ich schon oft bemerkt habe, die Beziehung von Organismus zu Organismus im Kampfe um’s Dasein die bedeutungsvollste aller Beziehungen ist. Bei den Wanderungen kommen daher die oben erwähnten Schranken wesentlich in Betracht, ebenso wie die Zeit bei dem langsamen Prozess der natürlichen Zuchtwahl. Weitverbreitete und an Individuen reiche Arten, welche schon über viele Concurrenten in ihrer eigenen ausgedehnten Heimat gesiegt haben, werden beim Vordringen in neue Gegenden die beste Aussicht haben, neue Plätze zu gewinnen. An ihren neuen Wohnorten werden sie neuen Lebensbedingungen ausgesetzt werden und häufig neue Abänderungen und Verbesserungen erfahren; und so werden sie den andern noch überlegener werden und Gruppen modifizierter Nachkommen erzeugen. Aus diesem Prinzip fortschreitender Vererbung mit Abänderung können wir einsehn, weshalb Untergattungen, Gattungen und selbst ganze Familien, wie es so gewohnter und anerkannter Maßen der Fall ist, auf gewisse Flächen beschränkt erscheinen.
Wie schon im letzten Kapitel bemerkt wurde, ist kein Beweis vorhanden für die Existenz irgend eines Gesetzes notwendiger Vervollkommnung; sowie die Veränderlichkeit einer jeden Art eine unabhängige Eigenschaft ist und von der natürlichen Zuchtwahl nur so weit ausgebeutet wird, als es den Individuen in ihrem vielseitigen Kampfe um’s Dasein zum Vorteil gereicht, so besteht auch für die Modifikation der verschiedenen Spezies kein gleichförmiges Maß. Wenn eine Anzahl von Arten, die in ihrer alten Heimat miteinander lange in Konkurrenz gestanden haben, in Masse nach einer neuen und nachher isolierten Gegend auswandern, so werden sie wenig Modifikation erfahren, indem weder die Wanderung noch die Isolirung an sich etwas dabei tun. Diese Prinzipien kommen hauptsächlich nur deshalb in Betracht, als damit Organismen in neue Beziehungen unter einander, weniger als sie in Berührung mit neuen Lebensbedingungen gebracht werden. Wie wir im letzten Kapitel gesehen haben, dass einige Formen den nämlichen Charakter seit ungeheuer weit zurückgelegenen geologischen Perioden fast unverändert behauptet haben, so sind auch gewisse Arten über weite Räume gewandert, ohne große oder überhaupt irgend welche Veränderungen erlitten zu haben.
Nach diesen Ansichten liegt es auf der Hand, dass die verschiedenen Arten einer und derselben Gattung, wenn sie auch die entferntesten Teile der Welt bewohnen, doch ursprünglich aus gleicher Quelle entsprungen sein müssen, da sie vom nämlichen Erzeuger herrühren. Was diejenigen Arten betrifft, welche im Verlaufe ganzer geologischer Perioden nur eine geringe Modifikation erfahren haben, so hat es keine große Schwierigkeit anzunehmen, dass sie aus einerlei Gegend hergewandert sind; denn während der ungeheuren geographischen und climatischen Veränderungen, welche seit alten Zeiten vor sich gegangen, sind Wanderungen beinahe in jeder Ausdehnung möglich gewesen. In vielen andern Fällen aber, wo wir Grund haben zu glauben, dass die Arten einer Gattung erst in vergleichsweise neuer Zeit entstanden sind, ist die Schwierigkeit in dieser Hinsicht weit größer. Ebenso ist es einleuchtend, dass die Individuen einer und derselben Art, wenn sie jetzt auch weit auseinander und abgesondert gelegene Gegenden bewohnen, von einer Stelle ausgegangen sein müssen, wo
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