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Die erste Nacht - Roman

Die erste Nacht - Roman

Titel: Die erste Nacht - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Levy
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waren die Gebeine in Fötusposition. Zu dem Schmerz um den Verlust eines geliebten Menschen war der unwiderstehliche Drang hinzugekommen, den Tod zu ehren«, schloss Keira ihre wörtliche Wiedergabe von Ivorys Lektion.
    »Hunderttausend Jahre, tausend Jahrhunderte des Glaubens … Würden Sie jetzt der Welt den wissenschaftlichen Beweis liefern, dass nicht Gott das Leben auf Erden geschaffen hat, würden diese sich selbst zerstören. Eineinhalb Milliarden Menschen leben in unerträglicher, unzumutbarer Armut. Welcher Mann, welche Frau, welches Kind würde diese Bedingungen ertragen, wenn es keine Hoffnung mehr gäbe? Wer würde
sie daran hindern, ihren Nächsten zu töten, sich das zu nehmen, was ihm fehlt, wenn das Gewissen frei von jeglicher transzendenten Ordnung wäre? Die Religion hat getötet, doch der Glaube hat Menschenleben gerettet. Und den Ärmsten Kraft gegeben. Eine solche Illusion können Sie nicht auslöschen. Für Sie als Wissenschaftler ist der Tod notwendig, wir müssen sterben, um denen Platz zu machen, die nach uns kommen. Geboren werden, sich entwickeln und dann sterben, das ist der Lauf der Natur, doch für die meisten ist der Tod nur ein Schritt hin zu einem Anderswo, zu einer besseren Welt, in der sie alles haben werden, was sie hier nicht haben, in der all jene sie erwarten, die vor ihnen gegangen sind. Sie beide haben weder Hunger noch Durst noch Armut gekannt und konnten an der Verwirklichung Ihrer Träume arbeiten. Was auch immer Ihre Verdienste sein mögen, Sie hatten dieses Glück. Aber haben Sie auch an alle gedacht, die dieses Glück nicht hatten? Sind Sie grausam genug, ihnen zu sagen, all ihr Leid hier auf Erden habe nur der Evolution gedient?«
    Ich trat auf die Bildschirme zu, um meinen Richtern gegenüberzustehen.
    »Diese traurige Sitzung«, sagte ich, »erinnert mich an das, was Galilei durchmachen musste. Aber dennoch hat die Menschheit am Ende erfahren, was seine Zensoren verbergen wollten, und die Erde hat deshalb nicht aufgehört, sich zu drehen! Ganz im Gegenteil. Als der Mensch, von seiner Angst befreit, beschloss, sich dem Horizont zu nähern, wich dieser zurück, je mehr er sich vorwagte. Was wären wir heute, wenn es den Gläubigen von damals gelungen wäre, die Wahrheit zu verbieten? Das Wissen ist Bestandteil der Entwicklung des Menschen.«
    »Wenn Sie Ihre Entdeckung enthüllen, wird es am nächsten Tag Tausende von Toten in den ärmsten Entwicklungsländern
geben, in der darauffolgenden Woche werden es Millionen in der Dritten Welt sein. Danach wird die größte Migration einsetzen, die die Menschheit je erlebt hat. Eine Milliarde ausgehungerter Wesen wird durch die Kontinente ziehen und über die Meere fahren, um sich alles zu holen, was sie nicht hat. Jeder wird versuchen, im Hier und Jetzt das zu erlangen, was er sich zuvor für die Zukunft erhoffte. In der fünften Woche wird die erste Nacht beginnen.«
    »Warum haben Sie uns freigelassen, wenn unsere Enthüllungen so gefährlich sind?«
    »Wir hatten eigentlich nicht die Absicht, bis wir dem Gespräch in Ihrer Zelle entnommen haben, dass Sie nicht mehr die Einzigen sind, die darum wissen. Ihr plötzliches Verschwinden würde die Wissenschaftler, mit denen Sie zu tun hatten, dazu treiben, Ihre Arbeit fortzusetzen. Jetzt steht es allein in Ihrer Macht, sie aufzuhalten. Sie können gehen und müssen mit Ihrem Gewissen ausmachen, welche Entscheidung Sie treffen werden. Seit der Entdeckung der Kernspaltung haben ein Mann und eine Frau keine solche Verantwortung getragen.«
    Die Bildschirme erloschen einer nach dem anderen. Sir Ashton erhob sich und trat auf uns zu.
    »Mein Wagen steht Ihnen zur Verfügung, mein Chauffeur fährt Sie nach London zurück.«

London
    Wir verbrachten einige Tage in meinem Häuschen. Noch nie waren Keira und ich so schweigsam gewesen. Wenn einer von uns beiden den Mund aufmachte, um etwas Banales zu sagen, unterbrach er sich sofort. Walter hatte eine erboste Nachricht auf meinem Anrufbeantworter hinterlassen, weil wir verschwunden waren, ohne ihm Bescheid zu sagen. Er wähnte uns in Amsterdam oder wieder in Äthiopien. Ich versuchte, ihn zurückzurufen, doch er war nicht erreichbar.
    Die Stimmung am Cresswell Place war bedrückend. Ich hatte ein Telefongespräch zwischen Jeanne und Keira gehört, selbst mit ihrer Schwester konnte sie nicht reden. So beschloss ich eine Luftveränderung, wir würden nach Hydra fahren. Etwas Sonne würde uns wirklich guttun.

Griechenland
    Die Fähre, die

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