Die Erzaehlungen
zerfließenden Hang einfach loslassen, Abschied nehmen müßten sie von dem Himmel, von dem ersten Abendstern, und etwas, was tief in ihm ist, müßte noch einmal Atem holen und ›Frantischka‹ sagen und dann nicht mehr. Das wäre alles, und ist das so schwer? Es mußte doch schwer sein, denn Bohusch erhob sich und ging den rinnigen Fahrweg abwärts durch die breite Hauptstraße hin. Ein grauer, flimmernder Nebel sickerte dort nieder und hielt die Gasflammen gleichsam in der Luft gefangen, so daß sie nichts von ihrem Licht herunterstreuen konnten auf die dichten Scharen müder Ausflügler, die gespenstisch sich erst zwei Schritte vor dem Einsamen aus der Unermeßlichkeit formten, und hart hinter ihm in das Nichts zurücksanken. Und wenn der Bohusch seinem innersten Instinkt nach immerzu gegangen wäre, ohne aufzusehen, er wäre gewiß in die Moldau gekommen, die vom Eisgang her noch heftig war, so, wie ein matter Gaul den Weg in den stillen Stall findet ohne aufzusehen. Aber Bohusch sah auf . Die Nebel um ihn begannen zu ihm zu reden in mächtigen, wachsenden Klängen, und alle Türme, von denen er früher hatte Abschied nehmen wollen, erhoben ihre feierlichen Ave-Stimmen. Es war, als würde oben über den Dächern, hinter den undurchdringlichen feuchten Falten, irgend ein großes Fest begangen, und die Seele des Verwachsenen war plötzlich oben, und ehe er es hindern konnte, ging sie auf in dem mystischen Jubel der Lüfte. Und da stand der arme Buhosch und sah ihr nach. Er mußte daran denken, daß über acht Tage Ostersonntag war, und das erfüllte ihn mit so viel Freude, daß er lächelnd bei seiner alten Mutter eintrat und den ganzen Abend so drollige Dinge zu berichten wußte, daß der alten Frau vor lauter Lachen schwach und schwindlich wurde. Was tat es, daß Bohusch später träumte, Frantischka und er sollten heiraten. Er sah das alles genau bis zu den allerkleinsten Einzelheiten, bis zu den Granatohrringen, welche wie Blutstropfen an den Ohrläppchen seiner Braut hingen. Und alles ging ordentlich. Die Trauung war in der großen Kuppelkirche von St. Niklas, und auch den Pfarrer erkannte Bohusch gleich wieder. Bis dahin war es vernünftig und so wie am lichten Tage. Aber mit einemmale wurde es ganz seltsam. Ein junges, oh, ein so junges Mädchen umfaßte die Braut, die vor dem Altare neben ihm kniete, und schrie: »Ich laß dir ihn nicht, ich lieb ihn so!« Das schrie sie ganz laut, ganz wild obwohl es, ich bitte, in der großen und ernsten Kirche von St. Niklas war. Es war nur natürlich, daß der Bräutigam (er trug übrigens richtig einen neuen Rock mit dunkelrotem Samtkragen) sich dieses ganz junge Mädchen, welches ihn so liebte, genauer ansehen wollte. Er erkannte die Carla, das war Frantischkas jüngere Schwester, welche er nur flüchtig kannte, und war sehr erzürnt über diese Störung. Als er aber doch besser zusah, gewahrte er, daß dies blonde Kind ein Nonnenkleid trug und erschrak vor Freude so jäh, daß er auffuhr und erwachte. Es dauerte eine Weile, ehe er, im Bette sitzend, sich zurecht fand. Dann rechnete er, wie weit es war bis zum grünen Donnerstag; und als sich nur drei Tage dazwischen fanden, lächelte Bohusch und schlief mit diesem Lächeln, traumlos, in den Morgen hinein.
Der Platz vor der königlichen Burg in Prag sieht trotz der ärmlichen Allee, welche ihn überquert, sehr vornehm aus. Das macht: er ist ganz von Palästen umrahmt. Am mächtigsten wirkt die breite Stirne der alten Königsburg mit dem großen, weißen Vorplatz, hinter dessen barocken Gittern der unermüdliche Wachposten auf und ab pendelt. Das Stammhaus des Fürsten von Schwarzenberg und ein anderes, etwas langweiliges Gebäude schauen wie in steter Verbeugung begriffen herüber, und zur Rechten des Schlosses wacht in etwas protziger Pose der neugestrichene Palast des Erzbischofs über die kleinen Wohnhäuser der Prälaten und Domherrn, die sich nahe an ihren mächtigen Patron heranschmeicheln. An einer Ecke nur, zu Seiten der Burg, wo die Schloßstiege und die steile Spornergasse münden, ist eine Lücke geblieben, und tief drinnen liegt in herrlichen Panoramen, zwischen den Laurenziberg und das Belvedere gedrängt Prag dieses reiche, riesige Epos der Baukunst. Voll Licht und Leben spannt es sich aus vor den Augen des Hradschin, und zu seinen alten fügen sich immer würdig neue, glänzende Strophen. Am anderen Ende der Häuserreihe, die einerseits durch diesen lichten Lugaus begrenzt erscheint, liegt ein
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