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Die Feuerkrone: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Die Feuerkrone: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Die Feuerkrone: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rae Carson
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fühle sie alle, als seien sie eine Erweiterung meines Ichs. Jetzt, da das zafira durch mich hindurchfließt, sind sie das vielleicht auch.
    Da. Dicke Zypressenwurzeln, ineinander verschlungen wie ein Schlangennest, von idealer Größe.
    Ich locke sie zu uns. Sie winden sich über den Boden, lugen aus dem Gras, verweben sich mit den Gliedern von Sturms Kette. Ich dränge sie weiter, und ihr wachsender Umfang spannt die Metallglieder an. Etwas stöhnt wie ein sterbendes Tier, als ich die Wurzeln gnadenlos weiter hineindränge.
    Mit einem Krachen zerbirst das Metall.
    » Lauft!«, schreie ich. Ich habe keine Ahnung, ob sich die Kettenglieder neu formieren werden, ob das zafira mit einem gnadenlosen Tentakel aus Licht wieder nach Sturm fassen wird.
    Er rennt los, und ich setze ihm schnell nach. Seine Fesseln rasseln bei jedem Schritt, und die Überreste der gesprengten Kette drohen sich im Gestrüpp und den Blättern zu verfangen und ihn zu Fall zu bringen.
    Zum ersten Mal, seit wir das Tal betreten haben, wird mein Feuerstein zu Eis. Die Erde beginnt zu grollen, und Sturm erstarrt, aber mit einem Schubs treibe ich ihn weiter an. » Lauft einfach!« Hoffentlich habe ich die Welt nicht aus den Angeln gehoben.
    Wir klettern die kleinen Vorsprünge an der Steilwand hinauf und halten auf den Eingang der Höhle zu, verfolgt vom Lärm knirschender Felsen und zerberstender Erde. Nicht umsehen, ermahne ich mich selbst, konzentriere dich darauf, schnell weiterzulaufen, aber als wir oben angekommen sind, kann ich nicht anders. Ich drehe mich um und ziehe erschrocken die Luft ein.
    Die Bäume beugen sich langsam zur Mitte des Tals, als wollten sie sich vor Gott verneigen. Dann ertönt mehrfach ein dröhnendes Krachen, und die Wurzeln reißen aus ihren Verankerungen, dann stürzen die Bäume um. Staubwolken explodieren in der Luft.
    Das Tal stürzt in sich zusammen, und dort, wo sich Blatts Turm befand, bildet sich ein riesiger Abfluss.
    Ich drücke meine zitternden Finger gegen die Lippen. Was habe ich getan?
    Ein Strom teilt sich und vermengt sich mit einem anderen, lässt donnernde Wassermassen und Schlammlawinen ineinanderkrachen. Ihre geballte Kraft reißt Felsblöcke und entwurzelte Bäume gnadenlos in das gähnende Loch.
    Meine Zähne klappern, als das Tal wieder und wieder erbebt. Aber nein, es ist nicht nur das Tal. Das Dröhnen ertönt auch von weiter oben. Der Berg droht über uns zusammenzubrechen.
    » Wir müssen verschwinden«, drängt Sturm. » Schnell.«
    Seine Worte bringen mich in Bewegung, und ich laufe auf die Höhle zu. Sie klafft dunkel vor uns auf. » Wir brauchen Licht!« Wir haben nicht die Zeit, uns die dunkle Treppe hinunterzutasten. Aber wenn wir uns zu sehr beeilen, werden wir mit Sicherheit in den Tod stürzen. » Seht Ihr hier Nachtblüher? Irgendwo in der Nähe?«
    » Nur die, die wir vorhin weggeworfen haben, und die sind fast tot.«
    » Sie müssen genügen.« Ich schnappe mir die welken Ranken, die noch neben dem Eingang liegen. Auf die Kraft des zafira zurückgreifend, fühle ich in ihre Stängel hinein und locke sie zurück ins Leben. Aber die Macht sickert aus mir heraus, als sich ihre Blätter gerade mit neuer Kraft aufrichten wollen und sich die Blüten wieder öffnen. Als ihre Stempel ein stetiges Glühen verströmen, ist die Kraft völlig verschwunden.
    Ich gönne mir einen winzigen Augenblick des Bedauerns. Leise streiche ich mir mit den Nachtblühern über die Wange und atme ihren Geißblattduft ein. Dann trete ich in den donnernden Berg.
    Staub und Kiesel regnen auf uns herab und drängen uns beim Abstieg zur Eile. Der Weg ist durch Schlamm zusätzlich glitschig geworden. Zweimal rutsche ich aus, aber Sturm ist an meiner Seite und hält mich mit einer Kraft fest, die seine zierliche Gestalt Lügen straft.
    Wir wagen es nicht, uns auszuruhen, als wir den Wasserfall erreichen, weil wir dem bebenden Berg noch immer zu nahe sind. Inzwischen ist die Dämmerung heraufgezogen, und als wir über die Felsbrocken klettern, die den See umsäumen, ist es mir fast unmöglich, zwischen Spalten und Löchern und Schatten zu unterscheiden.
    Als wir am Bach ankommen, ist es fast schon dunkel, und lebende Nachtblüher öffnen um uns herum überall in den Bäumen ihre Blüten. Der Lärm des einstürzenden Tals wird leiser, und ich wage zu hoffen, dass wir nun in Sicherheit sind.
    Jetzt halten wir inne, um ein wenig Atem zu schöpfen. Sturm beugt sich vor, stützt die Hände auf die Knie und holt keuchend

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