0324 - Die Geliebte des Dämons
Der Mann stand auf den Klippen und starrte auf die Ketten, die an dem harten Stein befestigt waren und nach unten baumelten. Bei jeder anrollenden Welle wurden sie bewegt und klirrten gegeneinander.
Es waren leere Ketten, und der blondhaarige Bastard, der daran gebunden worden war, hatte es tatsächlich geschafft, zu entkommen.
Ausgerechnet durch die Hilfe seines Freundes, eines Chinesen.
Xangwar auch Chinese, und er beschloß, es dem Blondhaarigen und seinem Landsmann heimzuzahlen. Drohend reckte er die Faust und schaute dem Schiff nach, das die Passagiere der gestrandeten und zerstörten Dschunke abgeholt hatte und zum Festland brachte.
Alles war zerstört worden, die Dschunke, die Vampire und das Fratzengesicht.
Hoffnung gab es nicht mehr.
Xang hatte vor Wut schreien können, und er beherrschte sich nur mit äußerster Mühe. Sie waren ihm zwar entgegengekommen, aber sie mußtennoch in Hongkong bleiben und wahrscheinlich der Polizei einige Erklärungen abgeben. Sicherlich würden die Beamten auch den Weg zu dieser einsamen Insel im Südchinesischen Meer finden, dann wollte der Kapitän der Dschunke längst verschwunden sein.
Für solche Gelegenheiten wußte er immer einen Ausweg. In einer kleinen, einsamen Bucht am anderen Ende der Insel lag sein Boot bereit, das ihn wieder nach Hongkong bringen würde. Und dort wollte er es ihnen zeigen.
Nicht alle waren erledigt…
Zuvor jedoch mußte er Abschied nehmen. Abschied von einem Schiff, das er bisher so geliebt hatte. Er war ein Diener des doppelköpfigen Fratzengesichts gewesen und würde es auch immer bleiben, auch wenn die Fremden den Dämon vernichtet hatten.
Hatten sie das wirklich?
Xang wollte es nicht glauben. Mit diesem Thema beschäftigten sich auch seine Gedanken, als er den Bereich der Klippen verließ und sich der Inselmitte zuwandte. Sie hatten einen Fehler gemacht, denn er war von ihnen vergessen worden.
So etwas mußten sie einfach büßen, und er würde sich rächen, das stand fest.
Zwar waren seine Möglichkeiten begrenzt, doch er kannte genügend Leute, die ihm verpflichtet waren. Diese Beziehungen wollte er auffrischen. Hongkong sollte zu einer Todesfalle werden, das schwor er bei allen Dämonen, die ihm »heilig« waren.
Obwohl seine Gegner die Insel verlassen hatten, war er vorsichtig.
Irgendwo konnten immer Feinde lauern, da hieß es die Augen nicht zu schließen. Es war eine dunkle Nacht. Über den Himmel segelten dicke Wolken, ein steifer Wind spielte mit dem Wasser und trieb die Wellen zu kleinen Bergen hoch, die gegen das Ufer der Insel anrannten. Eine Nacht ohne Licht, wie geschaffen für böse Taten.
Das alles hatte so ablaufen sollen, wären nicht die beiden Fremden erschienen und hätten vieles zunichte gemacht.
Aber nicht alles!
Xang kicherte, als er daran dachte. Da war noch eine Kleinigkeit zurückgeblieben. Es gab da einen Inder namens Mandra Korab. Und er war innerhalb der Bordwand des Schiffes gefangen gewesen.
Dem Europäer und dem Chinesen war es nicht gelungen, ihn zu befreien.
Jedenfalls hatte Xang nichts dergleichen gesehen.
Das konnte durchaus ein Punkt sein, an dem er einhaken würde.
Und zwar kräftig.
Als er daran dachte und die einst so stolze Brigantine sah, wurde sein Blick trübe.
Jetzt war sie leer, zum Teil eingefallen. Kein Mensch befand sich mehr auf Deck.
Die Beamten hatten alle mitgenommen. Nur der Wind spielte und jaulte um die Aufbauten oder trieb lockere Planen mit schabenden Geräuschen über Deck.
Das stolze Segel war nicht mehr. Auf seiner Leinwand hatte sich das Fratzengesicht gezeigt und Angst und Chaos verbreitet.
Xang stieß ein zischendes Geräusch aus, als er daran dachte. Er kam sich wie ein Dampfkessel vor, der kurz vor dem Überlaufen stand. Er mußte etwas tun, um den inneren Druck abzulassen.
Vielleicht half es ihm, wenn er an Bord kletterte.
Es war einfach. Außerdem erwies Xang sich als geschickter Kletterer, erreichte das Deck und schaute sich suchend um.
Einen Menschen oder ein Lebewesen sah er nicht. Ausgestorben und leer wirkte die Brigantine. Der Niedergang war eingestürzt, die Planken zum Teil verbrannt oder verkohlt, als hätte dort ein Feuer gewütet.
Nichts war von dieser einst so prächtigen Dschunke zurückgeblieben, auf die ein Mann wie Xang stolz sein konnte.
Nur mehr Trümmer.
Er unterdrückte mühsam die Tränen und danach die wilden Flüche, als er den zerstörten Niedergang hinabstieg, um unter Deck nachzuschauen.
Es gab dort einen besonderen
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