Die Flammenfrau
Strand war alles ruhig. »Komm«, flüsterte sie. Mutig verließ sie die Höhle. Dann blieb sie jedoch vor Schreck stehen. Als sie auf den Mondscheintempel schaute, hielt sie inne. Ein riesiges Feuer brannte dort, wo das Haus der Göttin gestanden hatte.
»Gütiger Himmel«, entfuhr es Raban, der neben Brunhild am Strand stand.
»Da haben wir aber Glück gehabt. Wenn du nicht heute nacht weggelaufen wärest, dann…«
»Dann wäre ich im Tempel verbrannt«, beendete Brunhild den Satz. Immer noch schaute sie wie gebannt auf das Feuer. »Laß uns nachsehen, was geschehen ist.«
»Jetzt?« Raban schaute sie fragend an. »Aber dann werden sie uns finden?«
»Glaubst du wirklich, ich laufe von hier fort, wenn die Priesterinnen verletzt sind? Wir müssen ihnen helfen. Vielleicht ist die alte Ramee verwundet!« Entschlossen lief Brunhild den Strand entlang auf den brennenden Hügel zu.
»Warte«, rief Raban. »Warte, ich komme mit.«
Sie warf einen mißtrauischen Blick auf den Jungen. »Warum tut dein Vater das alles?«
Raban zuckte mit den Schultern. »Ich weiß nicht.« Er sah unglücklich aus.
»Mhm«, machte Brunhild wieder. »Wir schauen zuerst bei den Höhlen nach.«
Sie verließen den Strand und wanderten einen der Hügel hinauf. Als sie auf der Höhe ankamen, duckte sich das Mädchen plötzlich. Sie griff nach Rabans Hand und zog ihn mit sich in ein Gebüsch. »Horch, da kommt jemand«, flüsterte Brunhild.
In einiger Entfernung sahen sie zwei Frauen vorübergehen. Die eine trug das Gewand der Hohepriesterin. Brunhild runzelte die Stirn. Aber es war nicht Camire, es war Mirka!
Sie schaute auf die andere Frau, und ihr Herz machte einen kleinen Hüpfer. Arma, das war Arma! Da gab es keinen Zweifel, sie erkannte die blonde Kriegerin sofort. Jede ihrer Bewegungen war ihr vertraut. Also hatte die Priesterin gelogen. Das hatte Brunhild gleich gewußt! Arma würde niemals so lange fortbleiben!
Brunhild wollte schon aufspringen, um der Kriegerin entgegenzueilen, doch dann blieb sie still unter den Zweigen hocken.
»Bist du sicher, daß Brunhild in ihrem Versteck von Pyros nicht entdeckt wird?« fragte Arma gerade.
Das Mädchen hielt den Atem an.
»Ja,« sagte Mirka. »Das Mädchen ist am Abend fortgelaufen und Camire hat sie nicht zurückgeholt, weil sie wußte, daß Pyros kommen würde. Brunhild hat sich am Strand versteckt.«
»Bist du sicher?« fragte die Kriegerin wieder.
»Brunhild war nicht im Tempel, als er einstürzte. Warum sollte Camire lügen?«
»Weil sie Pyros liebt!«
Mirka blieb stehen. »Aber was hat das mit dem Kind zu tun?«
»Ich bin sicher, Camire hat mich fortgeschickt, weil sie wußte, das Pyros bald kommen würde. Sie ahnt, daß ich nichts unversucht lassen würde, ihn sterben zu sehen!«
»Was willst du nun tun? Willst du gegen den Magier kämpfen oder nach Brunhild sehen?«
Arma atmete tief durch. »Die Kleine wird eine Weile ohne mich auskommen. Ich werde sie nach dem Kampf suchen.«
»Ich denke auch, daß es so besser ist!« sagte Mirka. »Wenn das Mädchen weiß, daß du da bist, wird sie vielleicht…«
Mehr hörte Brunhild nicht, da die Frauen mit schnellen Schritten rasch hinter dem Hügel verschwanden.
»Komm, wir müssen ihnen nachgehen,« flüsterte Raban aufgeregt. »Sie wollen gegen meinen Vater kämpfen.«
»Aber das ist zu gefährlich!« Brunhild schaute den Jungen mit großen Augen an. »Er könnte sie töten!«
»Ja«, sagte Raban traurig. »Das könnte er.« Damit verschwand er aus dem Gebüsch.
Er war schon fast an dem Tempel angekommen, als Brunhild hinter ihm auftauchte.
»Ich weiß nicht, ob das klug ist?«
»Bist du etwa feige?«
»Nein«, sagte Brunhild. »Ich bin nicht feige!«
»Dann komm endlich!«
Hand in Hand erreichten sie die andere Seite des Hügels. Von der gegenüberliegenden Anhöhe rauschte der klare Wasserfall hinab in den See, in dessen Mitte eine Frau schwamm.
»Das ist Camire«, flüsterte Brunhild. Leise zog sie den Jungen hinter einen Stein. Über den Hügel kamen drei Frauen gelaufen. Sie rannten hinunter zum See. Brunhild staunte. Es waren Priesterinnen, doch sie trugen Lederrüstungen wie Arma und jede war mit Pfeil und Bogen bewaffnet.
»Mein Vater hat böse Augen, wenn er zaubert, aber manchmal ist er auch nett«, flüsterte Raban.
Das Mädchen schaute den Gefährten an. »Du magst ihn doch ein bißchen?«
Raban schniefte. Mit dem Ärmel seines Gewandes wischte er sich über die Nase. »Er ist oft böse zu mir, er hat
Weitere Kostenlose Bücher