Die Gefährtin Des Lichts erbin2
Lichts bahnt sich einen Weg über die Decken und meine Haut. Die Tage werden kürzer, weil der Winter naht. Ich vermute, dass du zur Sonnenwende geboren wirst.
Hörst du mir noch zu? Kannst du mich da drin hören?
Ich glaube, du kannst es. Ich glaube, du wurdest bei dem zweiten Mal erschaffen, als Sonnenschein für mich zu seinem wahren Ich wurde, wenn auch nur ein bisschen. Aber gerade genug. Ich glaube, er wusste es auch, so, wie die Lady es wusste und vielleicht sogar der Lord der Finsternis. Ihr müsst wissen, dass das typisch für ihn wäre. Er hatte gesehen, dass ich mein altes Leben vermisste. Dies war seine Art, mir zu helfen, mich auf das neue zu konzentrieren. Und außerdem ... seine Art, vergangene Fehler wiedergutzumachen.
Götter. Männer. Verflucht sei er. Ich könnte bei deiner Geburt schließlich sterben. Wahrscheinlich wird das nicht geschehen, aber es geht ums Prinzip.
Nun ja.
Ich hoffe, du hörst gut zu, weil Götter - und Dämonen - das manchmal tun. Ich glaube, du bist wach, aufnahmefähig und verstehst jedes Wort, das ich sage.
Denn ich glaube, ich habe dich gestern Morgen gesehen, als ich aufwachte. Ich glaube, meine Augen funktionierten für einen kurzen Moment wieder, und du warst das Licht, das ich sah.
Ich glaube, wenn ich bis zum Morgengrauen warte und genau hinsehe, werde ich dich heute Morgen wieder sehen.
Und ich glaube, wenn ich lange genug warte und gut hinhöre, werde ich eines Tages auf der Straße draußen Schritte hören. Vielleicht klopft es an der Tür. Bis dahin wird er die Grundzüge der Höflichkeit von jemandem gelernt haben; darauf können wir hoffen, nicht wahr? Jedenfalls wird er hereinkommen. Er wird sich die Stiefel abstreifen. Er wird seinen Mantel aufhängen.
Und dann werden du und ich ihn hier zuhause willkommen heißen.
Epilog
Vor zehntausend Jahren
Der Dämon bemerkt zuerst die Sonne. Das Licht ist zu hell. Und der Wind ist zu stürmisch. Das sind Warnzeichen.
Es ist Winter. Das kleine Dorf liegt am Rande einer riesigen Ebene. Schindelgedeckte Dächer treiben auf einer wogenden braunen See. Vor Kurzem kam eine Plage und holte sich einige der Alten und einige der Jungen. Dadurch gab es einige Hütten mehr, als die Bevölkerung benötigte. Die verlassenen Hütten sind in gutem Zustand, denn die Dorfbewohner kümmern sich so gut wie möglich um sie. Es sind einfache Leute, aber sie verstehen die Natur des Universums: Tod, Geburt und den Fortschritt der Zeit. Irgendwann werden die Hütten wieder gebraucht.
Jetzt allerdings sind sie ein ausgezeichnetes Versteck.
Der Dämon sitzt zwischen den rissigen Lehmwänden und belauscht seine Nachbarn bei ihren Gesprächen, während sie ihren Tagesgeschäften nachgehen. Sie haben ebenfalls das merkwürdige Licht und ungewöhnliche Wetter bemerkt. Die Dorfbewohner sorgen sich, dass dies ein schlechtes Zeichen ist. Ausnahmsweise, denkt der Dämon, haben die Menschen einmal recht.
Die verlassene Hütte ist stickig und eng. Der Dämon hat die Fenster mit öligen Lederklappen und zähflüssigem Hornkleber verschlossen, die er in der Hütte des Gerbers gestohlen hat. Außerdem hat er noch mehr Leder in die Lücke unter der Tür gestopft. Ein Feuer, bei dem Magie die Rauchentwicklung verhindert, glimmt auf der Feuerstelle. Dadurch erhält das Zimmer Farbtöne, aber kein wirkliches Licht. Als das Tageslicht ver- blasst, wird auch der Wind weniger. Dennoch geht der Dämon ruhelos auf und ab. Hin und wieder zieht er eine der Lederklappen zur Seite und späht hinaus. Er ist besorgt, weil der Sonnenuntergang naht. Das Zwielicht ist gefährlicher als Tag oder Nacht für sich genommen.
Aus einem Korb, der auf dem wackligen Tisch der Hütte steht, dringt ein gedämpftes Jammern. Das lenkt den Dämon von seinen Ängsten ab. Er geht hin und kauert sich nieder, um seinem Sohn in die Augen zu schauen. So aufgeweckte kleine Augen. Er hat das Kind fest eingewickelt, um es vom Herumzappeln abzuhalten und zum Schlafen zu bewegen. Doch wie es scheint, hat das Kind andere Vorstellungen. Schwingungen einfacher Angst, die die Ängste des Dämons widerspiegeln, erreichen ihn. Er seufzt. Dann beugt er sich hinunter und küsst das kleine Gesicht, das zu ihm aufschaut.
»Bald, mein kleiner Schatz«, sagt er. Es ist nur ein ganz leises Murmeln. »Sehr bald wirst du in Sicherheit sein.«
Das Kind versteht die Worte nicht, aber der beruhigende Tonfall verfehlt nicht seine Wirkung. Das Jammern wird zu unregelmäßigem Schluckauf.
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