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Die Gejagte

Die Gejagte

Titel: Die Gejagte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa J. Smith
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verzogen haben. Und der Verkäufer hier war wahrscheinlich über jeden Kunden froh, der den Weg durch diese getarnte Tür fand. Viele konnten das nicht sein.
    Während sie sich in Ruhe umsah, bemerkte sie, wie seltsam der Laden eigentlich war. Noch seltsamer, als es die
Läden in der Eastman und ihren Nebenstraßen sowieso schon waren.
    Der Raum wurde von einem einzigen kleinen Fenster und mehreren altmodischen Lampen mit Buntglasschirmen erleuchtet. Es gab Regale, Tische und Ständer wie in jedem anderen Laden auch, aber die Gegenstände darauf waren so exotisch, dass Jenny das Gefühl hatte, in eine andere Welt eingetaucht zu sein. Waren das etwa alles Spiele? Plötzlich war Jennys Geist von wilden Bildern erfüllt; Bildern aus Tausendundeiner Nacht, Bildern von morgenländischen Basaren, auf denen alles – alles  – verkauft wurde. Voller Erstaunen sah sie sich die Regale an. Meine Güte, was für ein merkwürdiges Schachbrett. Dreieckig. Konnte wirklich irgendjemand auf einem solchen Brett Schach spielen? Und da war noch eins, mit seltsamen, gedrungenen Schachfiguren aus Bergkristall. Es wirkte nicht nur antik – sondern regelrecht uralt.
    Das Gleiche galt für einen Metallkasten, der aus Messing oder vielleicht auch aus Bronze war und den Arabesken und arabische Inschriften aus Gold und Silber zierten. Was auch immer sich in diesem Kasten befand, Jenny würde es sich ganz bestimmt nicht leisten können.
    Einige der Spiele kannte sie, beispielsweise den Mahjong-Tisch aus Mahagoni mit Elfenbein-Spielsteinen, die achtlos über die grüne Filzfläche verteilt waren. Andere, wie ein schmales emailliertes Kästchen, auf dem es von Hieroglyphen nur so wimmelte, oder eine rote Schachtel mit einem goldenen Davidstern in einem Kreis darauf,
hatte sie noch nie zuvor gesehen. Dazu gab es Würfel von jeder Größe und Art: Einige waren zwölfflächig, andere wie Pyramiden geformt, und wieder andere hatten zwar die üblichen sechs Flächen, waren aber aus seltsamen Materialien gefertigt. Daneben fantastisch bunt schillernde Kartenspiele.
    Das Seltsamste aber war, dass zwischen all den alten merkwürdigen Kostbarkeiten ganz unvermittelt supermoderne Sachen auftauchten. Auf einer Pinnwand aus Kork steckten Schilder mit der Aufschrift: »Flame«, »Rant«, »Rave«, »Surf the Edge«, »Cheap Thrills«. Cyberpunk, dachte Jenny, der die Begriffe vage etwas sagten. Vielleicht wurden hier auch Computerspiele verkauft. Aus einem Gettoblaster in der Ecke wummerte Acid-House mit 120 Beats pro Minute.
    Wirklich ein sehr, sehr merkwürdiger Laden, dachte Jenny.
    Der Laden wirkte so … abgeschnitten von der Welt da draußen. Als würde die Zeit hier gar nicht existieren oder zumindest irgendwie anders verstreichen. Selbst das staubige Sonnenlicht, das schräg durch das einzige Fenster fiel, kam ihr unecht vor. Jenny hätte schwören können, dass das Licht eigentlich von der anderen Seite hätte kommen müssen. Ein Frösteln überlief sie.
    Du bist bloß durcheinander, sagte sie sich. Ein bisschen verwirrt. Kein Wunder nach dem Tag, den du hinter dir hast – nach der Woche, die du hinter dir hast. Konzentrier dich einfach darauf, ein Spiel auszusuchen, falls es
hier überhaupt irgendetwas gibt, das man wirklich spielen kann.
    Da entdeckte sie noch ein Schild an der Pinnwand, eine Art Quadrat:

    Jenny neigte den Kopf und überlegte. Was bedeuteten diese Buchstaben? Oh, na klar, jetzt hatte sie es.
    Welcome …
    »Kann ich dir helfen?«
    Die Stimme erklang direkt hinter ihr. Jenny drehte sich um – und ihr stockte der Atem.
    Augen. Blaue Augen. Nur dass sie nicht einfach blau waren, sondern von einer Farbe, die Jenny nicht beschreiben konnte. Erst ein einziges Mal hatte sie ein solches Blau gesehen – als sie einmal zufällig während der Morgendämmerung erwacht war. Ein unglaublich leuchtendes Blau hatte damals durch das Fenster geschienen, ein Blau, das schon eine Sekunde später zu einem gewöhnlichen Himmelblau verblasst war.
    Kein Junge sollte solche blauen Augen haben. Erst recht nicht, wenn sie von solch dichten Wimpern umrahmt waren, dass sie die Lider herabzuziehen schienen. Überhaupt zeigte dieser Junge die verblüffendsten Farben, die sie je gesehen hatte. Seine Wimpern waren schwarz, aber sein
Haar war weiß – echtes Weiß, wie die Farbe von Frost oder Nebelschwaden. Er war … nun ja, schön. Aber auf eine so exotische, unheimliche Weise, als sei er aus einer anderen Welt. Jennys erste Reaktion war absolut

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