Die Geliebte des Piraten
Stadtbewohnern herrscht Unruhe, Captain, und sollte Siraj-ud-dulah die Stadt angreifen, wird die Niederlassung der East India Company sein erstes Ziel sein – deren Soldaten werden als Erste fallen.«
Der Offizier richtete sich beleidigt auf. »Wir werden diese Revolte niedergeschlagen, Mylady. Das versichere ich Euch.«
Sie winkte ab. Es war sinnlos, ihn oder einen der anderen Offiziellen davon überzeugen zu wollen, dass dieses Land die Heimat der Inder war, und dass Menschen, die ihre Heimat verteidigten, dies weitaus erfolgreicher taten als jene, die in Englands Auftrag handelten. »Habt Ihr gar keine Fragen zu dem, was geschehen ist? Oder an das Personal? An Mr Romhi?«
»Wir werden unser Möglichstes tun, um die Banditen zu finden, Eure Ladyschaft. Nichtsdestotrotz gilt unser erstes Bestreben Eurer Sicherheit.«
»Dann gebt mir eine Pistole.«
Er sah Willa an, als seien ihr Hörner und Flügel gewachsen, ehe er ein herablassendes Lächeln aufsetzte. »Meine liebe Dame, es ist ganz gewiss nicht Eure Aufgabe, Euch selbst zu verteidigen. Dazu sind wir doch hier, und seine Lordschaft würde es mir nie vergeben, wenn ich nicht persönlich Sorge dafür trüge.«
Sollte seine Lordschaft in dieser Angelegenheit etwas zu sagen haben, dann sähe er es am liebsten, dass sie von der Bildfläche verschwände, vermutete Willa.
»Ich stimme da voll und ganz mit dem Captain überein, Mylady.«
Willa schaute auf. Mr Barkmon, der Direktor East India Company, hatte das Zimmer betreten. Wie immer war er in makelloses Weiß gekleidet und trug eine gepuderte Perücke. Willa musste bei seinem Anblick immer an eine Stange Lauch denken – blass, mit einem Hauch Hellgrün –, die den dringenden Wunsch in ihr auslöste, sie zu schälen und zu kochen. Vor drei Tagen, beim Abendessen in seiner Residenz, war Barkmon ihr gegenüber freundlich, fast unterwürfig aufgetreten, und hatte sie an seiner Tafel zwischen einen Admiral und einen charmanten General gesetzt. Jetzt hingegen musterte er sie unverfroren dreist von Kopf bis Fuß. Sie kehrte ihm den Rücken zu.
»Habt Ihr Verbindung mit Lord Eastwick?«, fragte sie kühl. Sie streifte ihn mit einem Blick, den sie einer Herzogin abgeschaut hatte, die jeden, der nicht standesgemäß gewesen war, damit in seine Schranken gewiesen hatte. Willa hatte schnell gelernt, dass es einem Vorteilsverlust gleichkam, in einer kritischen Lage Freundlichkeit und Verletzbarkeit zu zeigen, ganz besonders gegenüber den Herren der East India Company. Und sie wollte nicht, dass man an ihre Loyalität für ihren Mann anzweifelte. Zurzeit war das ihr einziger Vorteil.
Die Männer tauschten einen Blick. »Nein, das habe ich nicht.« Der Direktor räusperte sich. »Aber ich habe gehört, dass er im Lande ist.«
Das war eine Lüge. Sie erkannte es an seinem gezwungenen Lächeln, seinem unsicheren Blick. Also standen auch sie unter Alistars Kontrolle.
»Wo seid Ihr gewesen, als sich dieser Vorfall ereignet hat?«
Raidens Bild tauchte in ihrem Bewusstsein auf, erfüllte es wie ein überfließendes Glas berauschenden Weines. Stark. Mächtig.
»Ich war auf dem Markt.«
»Ohne Begleitung? Um diese Zeit?« Sein aufmerksamer Blick glitt über ihren Rock, registrierte, dass er nicht den Fall hatte, den ein Reifrockgestell ihm üblicherweise verlieh.
Hocherhobenen Hauptes erwiderte Willa seinen Blick, und ihre Haltung warnte ihn davor, ein Wort darüber zu verlieren. »Ich hatte mich verlaufen.«
Einen Augenblick lang schien er über ihre Antwort nachzudenken. »Wer würde Eurem Leibwächter etwas antun wollen, Eure Ladyschaft?«
Eine beunruhigende Besorgnis beschlich Willa. Rückte sie mit der Wahrheit heraus, dass vermutlich Alistars Männer nach ihr suchten, könnten sie sie zwingen, sich in die Obhut der Engländer zu begeben, was jede Möglichkeit ausschließen würde, Mason zu finden. Log sie, würde sie sich nur in Widersprüche verwickeln. Im Lügen war sie noch nie besonders geschickt gewesen. Willa entschloss sich, sich an der Wahrheit entlang zu lavieren. »Fragt Euch lieber, wer mir etwas antun wollte, Sir. Denn es gab keinen Grund, Manav zu töten, außer eben dem, dadurch an mich heranzukommen.« Sie sah den Captain und den Direktor an, in ihrem Blick lagen Arglosigkeit und reine Unschuld. »Ich bin nur Lord Eastwicks Frau.«
Der Captain wirkte nachdenklich, dann ging er auf Willa zu, ergriff ihre Hand und tätschelte sie beruhigend. »Mylady, schon allein aus diesem Grund bitte ich Euch
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