Die Gilde von Shandar: Die Spionin
blutete an ein paar Stellen. Auch Shalidar blutete, doch er sah noch frisch aus. Sie wusste, dass sie keine Chance hatte, ihn zu besiegen. Er war einfach zu gut und zu stark für sie.
Femke sah seinen letzten Tritt nicht kommen. Sie rollte sich nicht weg. Urplötzlich knallte ihr Kopf herum und explodierte vor Schmerz. Dann rollte sie über das Dach zum Rand herunter. Einen Moment lang konnte sie sich nicht koordinieren. Ihr Körper drehte sich immer weiter, und sie konnte nichts tun, um die Bewegung aufzuhalten. Der Schmerz aus allen Körperteilen überflutete ihren Kopf, und eine innere Stimme befahl ihr, weiter über den Rand zu rollen und dem Schmerz ein Ende zu machen. Doch als sie dem Abgrund näher kam, musste sie plötzlich an Danars letzte Stunde denken. Er hatte nicht aufgegeben. Er hatte ihr vertraut und sie hatte ihn im Stich gelassen. Dies war ihre einzige Chance, ihre Schuld zu begleichen. In diesem Augenblick wurde ihr klar, dass sie nicht aufgeben durfte.
Indem sie die Arme ausbreitete, konnte Femke ihr Rollen gerade noch stoppen, doch es zu spät war. Mit dem Gesicht nach unten rutschte sie über den Rand des Daches. Irgendwie schaffte sie es, mit wild um sich schlagenden Armen einen der großen horizontalen Flaggenmasten zu fassen zu bekommen, an dem die königlichen Banner hingen, und hielt sich mit der rechten Hand daran fest. Gefährlich schwankte sie hin und her, hoch über der geschwungenen Steintreppe, die zum Palast hinaufführte. Der Schmerz in der gestreckten Brust war unerträglich, aber sie hielt sich mit eisernem Willen fest. Mit geradezu übermenschlicher Anstrengung schaffte sie es, die Situation so weit zu verbessern, dass sie die zweite Hand an den Flaggenmast bekam.
»Bist du immer noch nicht tot?«, erklang Shalidars Stimme über ihr. Femke sah auf und blickte in seine kalten Augen, als er den Fuß hob, um ihr auf die Finger zu treten, damit sie in den Tod stürzte. »Auf Wiedersehen, Femke, fahr zur Hölle!«, fügte er gleichgültig hinzu.
»Stop, Shalidar! Wenn du das tust, stirbst du auch!«
Reyniks Ruf veranlasste Shalidar, sich umzudrehen, um diese neue Bedrohung einschätzen zu können. Ein junger Soldat rannte mit einem Messer in der Hand über das Dach auf ihn zu. So wie er die Klinge hielt, schien er damit umgehen zu können, daher zögerte Shalidar nicht. Der Killer wusste, wann er kämpfen und wann er fliehen musste. Ohne innezuhalten, drehte er sich um und rannte über das Dach vor Reynik davon.
Für Femke hörte sich die Stimme des jungen Soldaten himmlisch an, vor allem als sie erkannte, dass sie, wenn er sich beeilte, vielleicht gerade noch lange genug aushalten konnte, damit er ihr helfen konnte. Ihre Finger rutschten am glatten Holz des Flaggenmastes ab, aber mit letzter Kraft hielt sie sich daran fest.
»Reynik!«, krächzte sie mit schwacher Stimme wegen der Schmerzen in ihrer Brust.
Reynik hatte die Richtung gewechselt, um den Mörder zu jagen, als er ihren leisen Hilferuf vernahm. Er zögerte keine Sekunde. Obwohl er Shalidar sehnlichst folgen wollte, wusste er doch sofort, dass er es nicht auf Kosten von Femkes Leben tun konnte.
»Schnell«, stieß sie hervor, als ihre Finger weiter abglitten.
Als Reynik sah, wie Femke sich am Flaggenmast hielt und abzurutschen drohte, war ihm klar, dass er keine Zeit für eine richtige Rettungsaktion hatte. Ohne Rücksicht auf seine eigene Sicherheit warf er sein Messer weg und hechtete zum Dachrand. Er landete schwer auf dem Bauch und rutschte mit bedrohlicher Geschwindigkeit auf den Rand des Daches zu. Einen Augenblick lang befürchtete er, er hätte sich verrechnet und sie würden beide zu Tode stürzen, doch als sein Kopf und seine Schultern bereits über den Rand ragten, griff er nach dem Flaggenmast, um sich abzubremsen. Mit der linken Hand und dem Arm fing er sich ab, während er mit der rechten in letzter Sekunde nach Femkes Handgelenk griff, gerade als sie den Halt verlor. Das plötzliche Gewicht an seinem Arm riss ihn fast aus dem Gelenk. Er stöhnte vor Schmerz auf, doch er hielt Femke eisern fest.
Reynik war klar, dass niemand einen Sturz auf die steinerne Treppe unter ihnen überleben würde. Er konnte nicht sprechen. Er war zum Zerreißen angespannt, doch ein Blick auf Femke zeigte ihm, dass Worte unnötig waren. Sie war ohnmächtig geworden.
Zentimeter für Zentimeter kroch er auf das Dach zurück, bis sein rechter Arm sie dicht an der Mauer hielt. Mit einer gewaltigen Anstrengung schaffte er es,
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