Die Heilerin des Sultans
unterschiedlichen Sinneswahrnehmungen
oder -organen zugeordnet sind, ist als Stilmittel seit der Antike
bezeugt. »So kann ein primärer Sinneseindruck (z.B.
kratzendes Geräusch) eine sekundäre Sinnesreaktion (Gefühl
der Kälte, ‚Gänsehaut’) hervorrufen, so können
akust[ische] Reize opt[ische] Eindrücke (Photismen) auslösen«
( Metzler Literatur Lexikon, S.
453). Diese Reizverschmelzung wird seit Langem zur metaphorischen
Beschreibung herangezogen, einige Beispiele sind: Schreiende Farben,
heiße Rhythmen, kaltes Blau, etc. Sapphiras Fähigkeit,
Auren wahrzunehmen, ist also weder etwas Esoterisches noch etwas
Rätselhaftes, sondern etwas, das bei besonders empfindsamen
Menschen häufig auftritt. Britische Forscher haben gar
herausgefunden, dass »das Gehirn des Betrachters den
Farbenzauber auslöst.« (» Synästhesie:
Menschliche Aura entsteht im Gehirn. «
Spiegel online).
Wenden
wir uns dem Sultan und seinen Soldaten zu. Das System der Devişirme – der Knabenlese – wurde kurz nach dem Entstehen des
Janitscharenkorps im späten 14. Jahrhundert eingeführt; es
wurde allerdings während der chaotischen Zustände, die dem
Einfall Timurs folgten, eingestellt und erst 1438 von Murat II.
wieder aufgenommen. Die Knaben kamen aus christlichen Familien in
meist ländlichen Gebieten, in der Regel waren sie acht bis
zwanzig Jahre alt. Die Rekruteneinheiten befanden sich eigentlich in
Rumelien (14 Einheiten), in Anatolien (17) und Gallipoli (3). Neue
Janitscharen wurden dann je nach Bedarf den Janitscharen-Ortas
zugeführt, die sich in den Hauptkasernen der Hauptstadt
befanden. Normalerweise wurden die Knaben, die zu Fußsoldaten
ausgebildet werden sollten, zuerst für einige Jahre an
anatolische Bauernfamilien verkauft. Dort erfolgte über einen
Zeitraum von etwa fünf bis sieben Jahren eine Umerziehung im
islamischen Glauben, sie erlernten die türkische Sprache und
Mentalität. Erst nach diesen »Sozialisierungsmaßnamen«
erfolgte die militärische Ausbildung in den Rekruteneinheiten
(Bodo Hechelhammer. Das Korps
der Janitscharen , S. 40). Nun
folgten harte Jahre des Dienstes in den Kasernen (im Normalfall
dauerte die Ausbildung ca. sechs Jahre). »Am Ende stand die
entscheidende Verwendungsprüfung, [das] zur
Pforte hinausgehen (çikma). Nur
wer sich hier als geeignet erwies, wurde im Alter von ca. 24 Jahren
in die Gemeinschaft der Janitscharen aufgenommen, die anderen wurden
den verbleibenden Waffengattungen zugeordnet.« (Hechelhammer,
S. 41) Da es die Handlung der Geschichte erfordert, musste ich an
dieser Stelle ein wenig raffen und Falks Ausbildung verkürzen.
Allerdings ist wenig bekannt über diese letzten Jahre von Sultan
Bayezids Herrschaft und in manchen Quellen fanden sich Hinweise, dass
er das langwierige Rekrutierungssystem kurzfristig ausgehebelt hat.
Denn ansonsten wäre es ihm kaum gelungen, in so kurzer Zeit
genug neue Militärsklaven für den Krieg gegen Timur
auszuheben. Feldzüge wurden normalerweise penibel geplant –
oft bereits im Oktober oder November des Vorjahres, damit der Marsch
im folgenden Spätsommer/Herbst stattfinden konnte. Bayezid, der
Blitz, war ungewöhnlich schnell in seinem politischen und
kriegerischen Handeln – daher der Spitzname. Bei der Planung
seiner Eroberungszüge wurden erfahrene Soldaten zu Rate gezogen,
sowie die Aufzeichnungen früherer Kriegszüge. Vor und
während der Mobilisierung der Truppen schickte man riesige
Mengen an Vorräten voraus, befestigte Straßen und
errichtete Brücken. Wann genau Bayezid sich wo aufhielt, war
nicht herauszufinden. Seine (Truppen-)Bewegungen sind leider nur sehr
schwer nachzuvollziehen, da es kaum Quellen gibt, die nicht in
türkischer Sprache verfasst sind (die ich leider nicht
beherrsche). Fehlende Informationen habe ich – an mancher
Stelle möglicherweise fehlerhaft – ergänzt.
Ein
Wort zur Ausbildung im Harem: Diejenigen der jungen
Mädchen, die nicht einfache Dienerinnen wurden, erhielten zuerst
Unterricht im Sticken und Nähen. Danach wurden die besonders
Talentierten unter ihnen von der Valide
Sultan dazu auserkoren, ihr
zu dienen. Diese bildete sie dann höchstpersönlich für
den Liebesdienst (singen, tanzen, dichten, etc.) aus. Außerdem
stattete sie die jungen Frauen mit kostbaren Gewändern und
Schmuck aus. Dass Sapphira zeitgleich im Hospital arbeitet und eine
Konkubinenausbildung genießt, ist sicherlich höchst
unorthodox. Da allerdings nahezu sämtliche Informationen über
die
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