Die Heilerin des Sultans
Struktur des Harems aus
der Zeit nach der Eroberung Konstantinopels stammen, könnten die
Dinge in Bursa noch anders ausgesehen haben. Einige weitere
einschneidende Veränderungen – wie die zunehmende
Abschottung des Sultans von seinen Beamten – untermauern diese
Vermutung. Nach den Quellen zu urteilen, wurden manche der jungen
Mädchen tatsächlich zu Ärztinnen, Apothekerinnen,
Gärtnerinnen und Lehrerinnen ausgebildet.
Der
Aufgabenbereich der Tabibe erstreckte sich eigentlich
nur auf Frauen, aber in Notfällen oder bei Engpässen gab es
Ausnahmen. Wenn es um Leib und Leben ging, stand die Schicklichkeit
hinten an. Es galt das Motto: »Die Notwendigkeit erlaubt das
Verbotene.« Die Tatsache, dass Frauen Männer behandeln
konnten und umgekehrt, wurde mit Beispielen aus der Zeit des
Propheten gerechtfertigt, als Frauen wie Ümmiyetü’l
Gaffariye, eine Hekime, Männer heilten, die im Krieg verwundet worden waren.
Die
Karriere einer Jariye konnte
auf drei unterschiedliche Arten kulminieren: Entweder trat sie als
Mutter eines Prinzen in die Familie des Sultans ein, wurde in einen
der Verwaltungsposten (Meisterin einer Oda )
des Harems befördert
oder mit einem der männlichen Elitesklaven des Sultans vermählt
und somit in die Oberschicht aufgenommen. Viele Geheimnisse ranken
sich um das Leben im Harem, und das wird sich auch in
Zukunft nicht ändern, weil es keinem männlichen Besucher
gestattet war, diesen Bereich zu betreten. Da Geschichtsschreiber in
der Vergangenheit nahezu ausschließlich männlich waren,
stecken wir hier also in einer Zwickmühle. Ich habe mich, trotz
allem, bemüht, die Wissensfragmente, welche überliefert
sind, möglichst nachvollziehbar und wirklichkeitsgetreu in die
Geschichte einzuflechten. Sollten mir bei der Darstellung dennoch
Fehler unterlaufen sein, möchte ich mich an dieser Stelle dafür
entschuldigen und um Nachsicht bitten.
Der Harem selbst
ist als zweigeteilt zu begreifen: Einerseits gab es den königlichen Harem, in dem Knaben und junge Männer für den Militärdienst
oder die Beamtenlaufbahn ausgebildet wurden. Diese wurden von weißen
Eunuchenwächtern und -lehrern beaufsichtig. Andererseits gab es
den Familien harem, in dem die Frauen und Kinder unter der Obhut der schwarzen Eunuchen
standen. Es ist mit Sicherheit anzunehmen, dass der innerste Bereich,
der Familien harem ,
durch eine Mauer vom Rest des Harems getrennt war. Obwohl dies
alles so klingt, als ob eine Begegnung zwischen jungen Männern
und Frauen unmöglich gewesen wäre, geben manche Quellen
Aufschluss darüber, dass dem durchaus nicht so war. Anscheinend
hatten die Frauen »Mittel zur Verkleidung und zu Schlichen,
welche die Liebeshändel sehr begünstigten, doch schweb[t]en
sie in ständiger Unruhe und Furcht, entdeckt zu werden. Eine
Entdeckung setzt[e] sie der unbarmherzigen Wut der Eifersucht aus,
die hier ein Ungeheuer ist, das nur durch Blut gesättigt werden
kann.« (Renate Währisch. Im
Harem – Frauenleben im Verborgenen. Bayerischer
Rundfunk. Bayern2Radio – radioWissen). Sexorgien gab es im Harem übrigens
nicht. Nur wenige der Frauen teilten das Bett mit dem Sultan, und
über diese Begegnungen wurde vom Haznedar, dem obersten Finanzverwalter
oder Schatzmeister, penibel Buch geführt, um die Legitimität
von Kindern zu belegen. Auch genossen ältere, »postsexuelle«
Frauen einen gewissen Grad an Freiheit Sie saßen oft zusammen,
erzählten sich Geschichten und rauchten nachts Opium. Keinen
Nachwuchs mit den offiziellen Ehefrauen zu zeugen, entsprach
tatsächlich dynastischen Regeln. Mütter von Töchtern
und Söhnen waren ausschließlich Konkubinen, bei Eintritt
in den Harem waren diese allesamt christlich – den Quellen ist zu entnehmen,
dass viele erst später zum Islam konvertierten. Damit war
automatisch eine Freilassung verbunden, da der Koran die Versklavung
von Moslems verbietet.
Normalerweise
gibt es in einem Hamam keine
Becken wie in einem westlichen Bad, allerdings lassen einige Quellen
vermuten, dass zur Pflege von Kranken durchaus Bäder genommen
wurden. Diese dienten dann allerdings nicht der Reinigung, sondern
der Therapie. Sämtliche Krankheiten und Therapien, die in diesem
Roman erwähnt werden (mit Ausnahme der Madentherapie und der
Goldenen Wundsalbe) sind Karl-Heinz Levens Lexikon Antike
Medizin entnommen. Bei der
sogenannten Durstkrankheit handelt es sich um Diabetes. Als Ursache
wurde damals eine »Schwäche der zurückhaltenden Kraft
der
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