Die Heilsame Kraft Der Inneren Bilder
unbegreifliche Liebe. Dann ahnst du, wer du selbst bist und wer Gott ist, ohne dass du dich und Gott noch mit Worten beschreiben kannst.
9.
Bild und Bildlosigkeit
Der unbegreifliche Gott
In der Spiritualität geht es darum, sich für Gott zu öffnen und Gott zu suchen. Gott ist aber letztlich immer der unbegreifliche. Wir Menschen brauchen Bilder von Gott, um überhaupt von ihm sprechen und eine Beziehung aufbauen zu können. Aber zugleich wissen wir, dass Gott jenseits aller Bilder liegt. Das Alte Testament kennt daher das Verbot, sich von Gott ein Bild zu machen. Wir sollen an unserem Gottesbild arbeiten, kranke Gottesbilder auflösen und heilende Bilder in uns einlassen. Aber wir sollen immer wissen, dass Gott jenseits der Bilder ist. Gott ist der unbegreifliche, unbeschreibbare. Die Bilder öffnen uns ein Fenster, um in Richtung Gott zu schauen. Wir brauchen die richtigen Fenster, um in die richtige Richtung zu schauen, in die Richtung, in der Gott sich als der bildlose Gott erahnen lässt. Aber Gott ist – wie es Karl Rahner immer wieder betont – das absolute Geheimnis. Gott teilt sich uns in Jesus Christus mit. Aber er bleibt auch als der, der mit uns eins geworden ist, das absolute Geheimnis, das sich jedem menschlichen Zugriff entzieht. Und auch der Mensch – so meint Rahner – »gründet im Abgrund des Geheimnisses, er lebt immer mit ihm zusammen« (Rahner, Geheimnis SM 192). Auch der Mensch ist letztlich ein Geheimnis, das wir nicht auflösen können.
Der Mensch muss immer wieder Gottesbilder entwerfen, um überhaupt von Gott reden zu können. Zugleich aber muss er diese Bilder immer wieder transzendieren, überschreiten, hinter sich lassen. Gotthard Fuchs zitiert in diesemZusammenhang einen Satz der oberrheinischen Mystik: »›Die Bilder durch Bilder austreiben‹ – dies wurde deshalb in der oberrheinischen Mystik eine Kurzformel des christlichen Lebensvollzuges.« (Fuchs 134) Meister Eckehart spricht davon, dass wir Christus in uns einbilden und ihn ausbilden sollen, dass wir ihn nach außen durch unsere Ausstrahlung als Bild erscheinen lassen. Der Schüler von Meister Eckehart, Heinrich Seuse, drückt es so aus: »Der Mensch muss entbildet werden seiner selbst, eingebildet in Jesus Christus und überbildet in der Gottheit.« (Fuchs 134) Unser Weg geht nach Meister Eckehart und Heinrich Seuse über den paradoxen Prozess von Ein-Bildung und Ent-Bildung, »um von Bild zu Bild, durch alle Selbst- und Gottesbilder hindurch, zur Wahrheit der Gott-Unmittelbarkeit, der Gott-Einung zu gelangen«. (Fuchs 139) Das Ziel ist das Einswerden mit Gott. Indem ich eins werde mit Gott, überschreite ich alle Bilder von Gott und von mir selbst. Ich werde eins in der bildlosen Stille Gottes.
Der Theologe Jürgen Werbick sieht die Ambivalenz der Bilder. Er beginnt seinen Vortrag »Bilder sind Herausforderungen« mit dem Satz: »Bilder sind Verlockungen, Manipulationen, falsche Versprechen, Bilder sind Zumutungen, Anstiftung zum Neu-Sehen. Bilder sind Denkverbote, zumindest legen sie das Denken lahm, da sie es in den Bann der Vorstellungslust schlagen.« (Werbick 165) Er stellt bewusst Sätze auf, die sich widersprechen. Bilder haben immer auch die Gefahr in sich, in Gott die eigenen Sehnsüchte hinein zu projizieren und sich das Bild von Gott so zurecht zu formen, dass es unseren Wünschen und Bedürfnissenentspricht. Aber Bilder können auch inspirieren und ermutigen. »In ihnen ist ein
Versprechen
lebendig, das danach verlangt, beim ›Wort‹ genommen und in seiner Verlässlichkeit erprobt zu werden.« (Ebd. 190 f.) Wir brauchen Bilder von Gott. Aber wir sollen uns immer bewusst sein, dass wir diese Bilder übersteigen müssen auf den ganz anderen Gott. Insofern ist das alttestamentliche Bilderverbot weiterhin gültig.
Unser wahres Selbst
Die Bildlosigkeit gilt auch für unser Selbstbild. Wir brauchen gute Bilder, um mit unserem wahren Selbst in Berührung zu kommen. Aber auch das wahre Selbst ist letztlich unanschaulich, jenseits aller Bilder. So besteht unsere Aufgabe darin, krankmachende Bilder loszulassen und uns heilende und helfende Bilder einzubilden. Aber damit sind wir noch nicht am Ende. Zuletzt geht es darum, auch durch die guten Bilder zu unserem inneren Grund zu steigen, der jenseits aller Bilder ist. Aber auch hier gilt: Wir können nicht ohne Bilder leben. Wer nur bildlos leben möchte, in den bilden sich von selbst Bilder ein. Und oft genug sind es Bilder,
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