Die heißen Kuesse der Revolution
gemäßigten Girondisten noch an der Macht, und es herrschte Frieden. Schlimm war es erst im Jahr darauf geworden, als die anderen Monarchen des Kontinents nach Absetzung des Königs ihre Heere schickten, um die Revolution zu ersticken.
„Ich bin zurückgekehrt, um weiter nach dir zu suchen. Als ich es Monate später aufgab hatte ich bereits die Identität eines gewissen Jean-Jacques Carre angenommen und war zum Besitzer einer kleinen Druckerei und Jakobiner geworden. Ich wusste bald so viel über die Jakobiner, auch über jene im Nationalkonvent, dass ich beschloss zu bleiben. Ich habe die Scharade fortgesetzt und alles, was ich in Erfahrung bringen konnte, verschlüsselt nach London geschickt.“ Er stockte und dachte an seine Nachbarn in Paris, die er täglich hinters Licht geführt hatte. Er hatte mit dem Bäcker Tee getrunken und sich über die Erfolge der Republikaner begeistert. Abends aber hatte er seinen Laden geschlossen und war wieder zu Dominic Paget geworden.
„Sprich weiter“, flüsterte Nadine.
„Aber im letzten Frühling gab es Gerüchte von einem Aufstand an der Loire. Du kannst dir vorstellen, wie mich das begeistert hat. Es gab auch Gerüchte über den Anführer der Royalisten, Michel Jacquelyn.“
Nadine riss entsetzt die Augen auf. „Michel?“, japste sie. „Unser Michel ist der Anführer der Royalisten in der Vendée?“
„Ja. Michel ist noch am Leben und kämpft entschlossen gegen die Revolutionsarmee. Ich habe mich ihm im Mai angeschlossen.“
„Du warst bei Saumur dabei?“, rief sie fassungslos.
„Anfang Mai konnten wir eine ganze Division gefangen nehmen, und im Juni hatten wir das Tal unter unserer Kontrolle.“ Er musste all die schrecklichen Erinnerungen unterdrücken, die in ihm aufstiegen. Wieder sah er all die Toten und Sterbenden, den blutroten Fluss blutrot und Pater Pierre, der leblos in seine Armen lag während Michel brüllte, dass sie sich zurückziehen müssten.
„Dominic.“ Nadine legte ihm besorgt eine Hand an die Wange.
Er riss sich zurück in die Gegenwart. „Entschuldige. Ende Juni wurden wir bei Nantes besiegt.“
„Davon habe ich gehört. Ich kann nicht glauben, dass du dort warst. Tausende sind damals gestorben! Wie geht es Michel?“
„Als ich ihn das letzte Mal sah, war er gesund und wild entschlossen, nicht aufzugeben.“
„Gibt es eine Möglichkeit, ihm einen Brief zukommen zu lassen?“
Er zuckte zusammen.
„Er ist ein Freund von mir. Ich kenne ihn seit Jahren.“
„Ja, man kann ihn erreichen.“ Dominic zögerte.
Sie ergriff wieder seine Hand mit beiden Händen. „Aber es gibt auch schlechte Nachrichten, nicht wahr?“
„Erinnerst du dich noch an Pater Pierre?“
„Aber natürlich kenne ich ihn, er hat meinen Cousin Lucien getraut und meine Mutter beerdigt.“
„Er ist in dieser Schlacht umgekommen.“
Sie verschluckte sich. „Aber er war doch ein alter Mann! Und er hat noch gegen die Revolutionsarmee gekämpft?“
Dominic nickte und legte seinen Arm um sie.
Sie zitterte, ließ sich aber nicht in seine Arme sinken, wie sie das noch vor zwei Jahren getan hätte. Er merkte, dass sie entschlossen war, nicht zu weinen. „Wann wird dieser blutige Krieg endlich vorbei sein?“
„Das weiß ich auch nicht.“
Sie drehte sich aus seinem Arm. „Der Krieg hat mich verändert, Nadine. Er hat auch mein Leben verändert.“
„Aber natürlich. Kein Mensch kann derselbe bleiben, wenn er auch nur eine einzige Schlacht, einen einzigen Massenaufruhr erlebt hat.“ Sie holte tief Luft. „Ich bin auch nicht mehr dieselbe.“
„Aber du bist immer noch eine schöne und sehr kluge Frau, nein, du bist noch schöner und klüger als damals. Du bleibst einfach außergewöhnlich.“
Ihre Augen bohrten sich in seine. „Wieso bin ich plötzlich so sicher, dass du mir gleich eine schlimme Enttäuschung bereiten wirst?“
Plötzlich fiel ihm das Sprechen schwer. „Meine Gefühle für dich haben sich nicht geändert. Ich bin dein größter Bewunderer und dein treuester Freund. Aber ich bin jetzt ein anderer, Nadine. Es wird mir nie wieder möglich sein, mit dir von einem Ball zum nächsten zu ziehen.“
Sie starrte ihn an und rang die Hände. „Ich würde sehr gern mal wieder auf einen Ball gehen. Aber es würde sich gewiss absurd anfühlen. Was willst du mir sagen?“
„Ich kann jetzt unmöglich heiraten. Tatsächlich weiß ich nicht, ob ich jemals wieder eine Heirat in Erwägung ziehen kann.“
Nadine war vollkommen überrascht.
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