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Die Herren von Hermiston

Titel: Die Herren von Hermiston Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Louis Stevenson
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geheißen; so wurde er denn mannigfachen Versuchungen ausgesetzt, die er indes eher suchte als floh. Einmal postierte er sogar als Büßer und wahrte so die Tradition seines Helden und Vorbilds bis aufs I-Tüpfelchen. Die humoristischen Verse, die er bei dieser Gelegenheit an Mr. Torrance richtete:
    Hier steh' ich mutterwindallein in aller Augen
    sind allzu derb, um wiedergegeben zu werden; aber sie durchliefen wie das Feuerkreuz im Fluge die ganze Nachbarschaft und wurden zitiert, rezitiert, paraphrasiert und belacht, überall von Dunfries bis Dunbar.
    Diese vier Brüder verknüpfte ein enges Band – das der gegenseitigen Bewunderung oder besser Heldenverehrung –, wie dergleichen bei einsam lebenden Familien, in denen viel Tüchtigkeit und wenig Kultur herrscht, nur allzu häufig ist. Selbst die Extreme bewunderten einander. Hob, in welchem etwa ebensoviel Poesie lebte wie in einemSchürhaken, gab vor, Dandies Verse innig zu lieben; Clem, der nicht mehr religiöses Empfinden als Claverhouse besaß, bezeugte eine aufrichtige oder doch zum mindesten offenmäulige Bewunderung für Gibs Frömmigkeit, und Dand verfolgte mit sichtlichem Behagen Clems Aufstieg in der Geschäftswelt. Hand in Hand mit dieser Bewunderung ging duldsame Nachsicht. Der Großbauer, Clem und Dand, die sämtlich Tories und glühende Patrioten waren, beschönigten untereinander schüchtern und verlegen Gibs revolutionäre Ketzereien. Wiederum nahmen Hob, Clem und Gib, alle drei peinlich tugendhafte Männer, Dandies lockeren Lebenswandel schweigend als eine Art Hemmschuh oder Nachteil in den Kauf, wie ihn eine rätselhafte Vorsehung den Barden zum Zeichen ihres poetischen Genies eigens auferlegt. Um die Einfalt ihrer gegenseitigen Bewunderung wahrhaft zu würdigen, mußte man Clem, wenn er daheim zu Besuch war, im Geiste der Ironie über die Angelegenheiten der großen Stadt Glasgow und die Personen, mit denen er dort zu tun hatte, reden hören. Diese verschiedenen Persönlichkeiten – Geistliche, städtische Beamte und Größen der Geschäftswelt – wurden allesamt angeschwärzt; alle waren nur dazu da, um ein schmeichelhaftes Licht auf das Haus in Cauldstaneslap zu werfen. Den Bürgermeister, dem Clem ausnahmsweise noch eine gewisse Achtung entgegenbrachte, pflegte er mit Hob zu vergleichen. »Er erinnert mich an den Gutsherrn hier«, meinte er. »Er hat etwas von Hobs großartigem, gesundem Menschenverstand und schiebt auch genau wie er die Lippe so vor, wenn ihm was gegen den Strich geht.« WoraufHob völlig unbewußt die Oberlippe herunterzog und zum Vergleich die erwähnte furchterregende Grimasse produzierte. Der unbeliebte Pfarrer von St. Enoch wurde mit der kurzen Bemerkung abgetan: »Ja, wenn er auch nur zwei Fingerbreit von Gibs Talent hätte, dann würde er's ihnen schon zeigen!« Und der ehrliche Gib schlug bescheiden die Augen nieder und lächelte still in sich hinein. Clem war der Kundschafter, den sie in die große Welt geschickt hatten. Er war mit der guten Nachricht zurückgekehrt, daß sich dort niemand mit den vier schwarzen Brüdern vergleichen könne; daß es keine Stellung gäbe, der sie nicht zur Zierde gereichen würden, keinen Beamten, dessen Posten sie nicht besser auszufüllen vermöchten, keine Angelegenheit, weltlicher oder geistlicher Art, die nicht unter ihrer Pflege sofort zur höchsten Blüte gedeihen müßte. Die Entschuldigung für ihre Torheit läßt sich in zwei Worte zusammenfassen: Sie unterschieden sich kaum um Haaresbreite von der eigentlichen Bauernschaft. Ihre Vernunft ließ sich an der Tatsache ermessen: dieses Symposium rustikaler Eitelkeit wurde in der Familie selbst gefeiert und dort gleich einer geheimen, ererbten Zeremonie begangen. Der Welt gegenüber trübte auch nicht der Schatten eines selbstzufriedenen Lächelns den Ernst ihrer Gesichter. Trotzdem wußte die Welt davon. »Sie halten große Stücke auf sich!« hieß es rings in der Umgegend.
    Endlich gilt es, in dieser Geschichte aus den Grenzlanden auch noch ihre Spitznamen zu erwähnen. Hob hieß »der Gutsherr«. »Roy ne puis, prince ne daigne«; er war der Herr über Cauldstaneslap – also über rund fünfzigAcres eigensten Landes. Clemens war einfach Mr. Elliott, wie auf seinem Türschild geschrieben stand; das ehemalige Beiwort »toll« hatte man längst fallenlassen, da es unangebracht und obendrein nur ein Beweis für die Urteilsschwäche und Torheit der öffentlichen Meinung war; und der Jüngste wurde zu Ehren seiner unstillbaren

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