Die Herrin der Kelten
ihren Schild an ihrer Schulter und ihren blutbeschmierten Speer in der hoch erhobenen Hand, ihr Haar nach Kriegerart geflochten und ihr goldener Torques so prachtvoll funkelnd, als ob er gerade erst im Schmiedefeuer der Götter entstanden wäre. Der blaue Umhang der Eceni wirbelte in dem plötzlich aufkommenden Wind um ihre Schultern und nahm dabei die Farben der Bäume und des Mooses und der Kleidung der Menschen auf, die sich zu bunten Flicken auf dem Stoff formierten, so dass er die Farben sämtlicher Stämme auf sich vereinte - nur nicht das Ginsterblütengelb der Trinovanter, die Farbe des Verräters Mandubracios. Aber auch das Gelb war da, und mit ihm der Verräter. Von dem Moment an, in dem er Gunovics Geschichte gehört hatte, hatte Bán diesen Verräter gekannt: ein magerer, rothaariger Mann mit der Nase eines Adlers und wässrigen Augen, die etwas Verschlagenes hatten und seinem, Báns, Blick auswichen. Er war mit Ehrenzeichen geschmückt, die er nicht verdient hatte, und er trug zu Unrecht Kriegerzöpfe in seinem roten Haar. Jetzt schwang er sich aus dem Sattel, noch vor Breaca, was der Gipfel der Unhöflichkeit ihr gegenüber war. Er war gekommen, davon war Bán fest überzeugt, um Verrat an ihr zu begehen.
»Verräter!« Er schrie das Wort laut heraus, so wie Cassivellaunos es Cäsars Legionen entgegengeschrien hatte, als sie damals am Fluss gegeneinander gekämpft hatten. Neben ihm stieß Hail sein Kampfgeheul aus, und der Sonnenhund und die Bärin, der Keiler und der Zaunkönig und all die anderen Tiere aus dem großen Versammlungshaus, die ihm nach draußen gefolgt waren, um zu helfen, stimmten in den gellenden Schlachtruf ein. Sie drängten sich um Bán, versprachen ihm Blut. Als sie sich bewegten, bewegte er sich mit ihnen. Gemeinsam stürzten sie sich auf den Feind.
»Bán, nein !«
»Lass mich los, verdammt noch mal!«
»Amminios, nicht! Er ist doch nur ein Kind, lass ihn in Ruhe!«
»Bán!«
Ein Pferd bäumte sich auf, und Bán wurde zu Boden geschleudert. Überall um ihn herum stürzten sich Menschen in den Kampf. In dem heillosen Durcheinander und dem Lärm des Gefechts hörte er Hail laut jaulen und dann die Stimme seiner Mutter.
»Bán!«
»Der Hund... nun halte doch mal endlich jemand diesen verfluchten Köter fest!«
»Amminios, hör auf damit!«
Die Welt um Bán herum wurde plötzlich schwarz und dann rot, und dann tanzten bunt schillernde Sterne vor seinen Augen. Als der wild kreisende Farbwirbel wieder verblasste, hörte er Efnís sprechen und dann wieder seine Mutter. Beide Stimmen klangen bedrückt und wie aus weiter Ferne.
»Es tut mir Leid. Es ist meine Schuld. Ich habe ihn gehen lassen. Ich wusste ja nicht, dass er...«
»Es spielt keine Rolle. Du konntest ja unmöglich ahnen, was passieren würde. Sei so gut und bring mir noch mehr Wasser. Bán? Kannst du mich hören? Kannst du die Augen öffnen?«
Sein Kopf schmerzte höllisch. Auf seiner Stirn lag kaltes, nasses Moos, von dem es auf seinen Hals tropfte. Er schlug die Augen auf. Der Himmel war von einem so grellen Blau, dass es ihm in den Augen weh tat, und die Sonne schien viel zu hell. Seine Mutter warf einen Schatten, als sie sich über ihn beugte. Ihr Gesicht war verzerrt und verkehrt herum. Er blinzelte angestrengt und verdrehte den Hals. Sie bewegte sich um ihn herum zu einer Stelle, wo er sie richtig sehen konnte.
»Bán? Kannst du mich sehen?«
Er kniff die Augen gegen das grelle Licht zusammen. »Ja.« Seine Stimme war kaum mehr als ein heiseres Flüstern. Plötzlich erinnerte er sich wieder an den Kampf. »Breaca? Sie hatte Blut auf dem Gesicht. Sie wollten sie umbringen!«
»Nein, Bán. So war es nicht.« Seine Mutter war zutiefst bekümmert. Er konnte es am Klang ihrer Stimme erkennen und an den Tränen, die ihre Wangen benetzten. Er hatte sie noch nie zuvor seinetwegen weinen sehen. Sie sagte: »Die Trinovanter kamen als Gesandte unter dem Frieden der Götter. Du hast die Mittsommer-Waffenruhe gebrochen und obendrein auch noch einen von ihnen als Verräter beschimpft. Es ist die schlimmste Beleidigung, die du ihnen und den Göttern zufügen konntest. Du wirst dich dafür...«
»Halt ein! Das hat noch Zeit bis später. Lass ihn erst mal erzählen, was er gesehen hat.« Diese letztere Stimme war eine, die er kannte, aber nicht so recht zuordnen konnte. Sie war rau und brüchig und von einer überraschenden Wärme erfüllt. Er drehte den Kopf zur Seite und versuchte, die Gestalt zu erkennen, die da
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