Die Herrin der Kelten
feindliche Linie rückte weiter vorwärts, während Schwerter klirrend gegen Schilde schlugen und Stiefel den Boden aufwühlten. Die Legionssoldaten waren regelrecht blind in dem dichten Nebel, prüften vorsichtig jeden Schritt. Breaca trieb ihr Pferd zum Trott an. Airmid wartete mit der grauen Stute auf sie.
»Kann sie galoppieren?«, wollte Breaca wissen.
»Ja, wenn du ihr kein Gewicht aufbürdest. Nun komm schon, wir müssen uns beeilen - Große Götter! Cunomar, nein!«
Der Junge war in Braints Obhut gegeben worden. Die Prophezeiung seines Vaters war vergessen oder wurde ignoriert. Cunomar war als Einziger von allen, die das Zeichen des Sonnenhunds trugen, zum Aufbruch gezwungen worden. Zuerst hatte er sich störrisch geweigert, dann hatte er plötzlich nachgegeben und war der jungen Kriegerin missmutig am Scheiterhaufen seines Vaters vorbei gefolgt. Als Braint sich am Rand des Feuers bückte, um ihre Feuerspeere auf den Boden zu legen, riss Cunomar sich plötzlich los, wirbelte herum, zog blitzschnell ein brennendes Scheit aus dem Feuer und preschte mit seinem Pony an den anderen vorbei und hinaus in den Nebel.
Das Totenlied des Sonnenhunds hallte in einem hohen Knabensopran durch den milchigen Nebel und verlor auch mit wachsender Entfernung nichts von seiner Kraft. Als es einen gellend lauten Höhepunkt erreichte, leuchteten plötzlich rote Flammen im Nebel auf. Ein Pferd schrie voller Todesangst. Männer heulten überrascht auf, gerieten in Panik. Ein Kind starb unter einem Dutzend Schwertern. Macha sang das Bittgebet an Briga so deutlich, dass es weithin hörbar durch den Nebel schallte; der Gesang eines Zaunkönigs beim ersten Licht der Morgendämmerung. Die Jagdhündin, Cygfa, fiel jaulend in ihr Lied ein, ihre Schnauze in die feuchte Luft erhoben. Neben ihnen schwang Gunovic seinen Schmiedehammer und legte den ersten der Feuerspeere auf den Scheiterhaufen.
Breaca fand sich am Schwanz einer langen Kolonne von schweigenden Kriegern wieder. Vertraute Gesichter schwebten vor ihr im Nebel: Airmid und Gwyddhien, Ardacos und Braint, Dubornos und Efnís, Luain, der zurückgekehrt war, um sich zu vergewissern, dass sie alle aufgebrochen waren, die Hälfte der Ehrengarde von Mona, ein Meer von in blaue Umhänge gehüllten Eceni. Sie hievte ihren Schild hoch und hob ihn gen Himmel. Überall um sie herum wurden geballte Fäuste hochgerissen. Airmid zeigte den Weg durch die Marsch entlang zu der Stelle, wo Caradoc voranritt und ihnen den Weg in die Freiheit wies.
»Wir müssen gehen.«
Am lodernden Scheiterhaufen überdeckte der erste Gefechtslärm die Geräusche ihres Aufbruchs.
EPILOG
Macha.
Sie war da, noch weitaus klarer erkennbar, als sie es jemals in seinen Visionen gewesen war. Bán konnte sie sehen; sie stand neben Gunovic, dem reisenden Schmied, und einer Jagdhündin, die er nicht kannte, umringt von Togodubnos, Odras und einem Kind, das das schwarze Haar seines Vaters hatte und die großen braunen Augen seiner Mutter und lächelnd auf einem kleinen grauen Pony saß. Sie war im Geiste da, so wie Bán sie in den vergangenen sechs Jahren immer gesehen hatte, und dennoch lag ihr Körper, erst seit kurzem tot, verkohlt und rauchend auf den Überresten des Scheiterhaufens. Der Hammerschlag, der sie getötet hatte, war deutlich auf ihrem Kopf zu erkennen, der silbergraue Zaunkönig ruhte zerdrückt und schlaff auf ihrer Brust. Gunovic, der sie aus Barmherzigkeit mit seinem Schmiedehammer erschlagen und voller Respekt und Schmerz auf den Scheiterhaufen gelegt hatte, mit der toten Jagdhündin an ihrer Seite, war ganz in der Nähe unter den Schwertern eines Dutzends Legionssoldaten gestorben, hatte jedoch zuvor noch doppelt so viele von ihnen, wenn nicht sogar noch mehr, ins Jenseits geschickt. Auch diese konnte Bán sehen, allerdings schwächer und undeutlicher, mehr gespensterähnlich, so wie er früher seine Mutter und seine Schwester gesehen hatte, die er beide für tot gehalten hatte, obwohl doch mindestens eine von ihnen tatsächlich noch am Leben gewesen war.
Die Erkenntnis seines Irrtums und das Bewusstsein seiner ganzen Tragweite dämmerte Bán nur langsam und gegen großen inneren Widerstand. Er war nicht an dem systematischen Abschlachten beteiligt gewesen, das den zweiten Tag der Schlacht geprägt hatte; das war der Zweiten Legion vorbehalten geblieben, ein Geschenk von Aulus Plautius an den Kommandanten der Legion, um die Männer für die demütigende Niederlage des ersten Tages zu
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