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Die Herrin von Avalon

Die Herrin von Avalon

Titel: Die Herrin von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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berührte, kannte sie die Worte, die sie sprechen mußte, obwohl sie die Sprache, in der sie geschrieben waren, in diesem Leben nie gehört hatte.
    Die Nebel ballten sich zu wattigen Wolken und türmten sich drohend auf. Als Caillean die Worte rief, wälzten sich die Nebel heran und hüllten Bäume, Schilf und Wasser ein. Sie umflossen auch die Hohepriesterin und nahmen ihr damit die letzten Reste der vergangenen Schmerzen.
    Mit einer langsamen Geste, die der Würde ihres Amtes entsprach, schickte sie die Nebel zum anderen Ufer.
    » Umhüllt uns, umgebt uns, schützt uns. Kein Auge soll uns sehen, nur die Götter uns finden. Hüllt Avalon ein, damit es für alle Zeiten sicher ist und in Frieden weiter bestehen kann! «
    Das Werk war vollbracht, und sie begann zu frieren. Am Horizont hingen die Nebel dicht über dem Wasser. Caillean sah die vertraute Landschaft nicht mehr, durch die sie so oft auf ihrem Weg von Deva in das Sommerland gereist war. Jetzt bot sich ihren Augen etwas anderes dar, das Sterbliche nur teilweise erkennen konnten.
    War sie Minuten oder Stunden hier gewesen? Ihr Rücken schmerzte, die Muskeln der Beine waren so steif, als hätte sie ganz Avalon lange Zeit auf den Schultern getragen.
    »Wir können zufrieden sein.«
    Die Stimme der Fee klang schwächer. Sie wirkte kleiner, als sei auch sie nach dem Werk der vergangenen Nacht erschöpft.
    »Eure Insel liegt jetzt zwischen den Welten. Menschen, die Avalon suchen, werden nur die Insel der Nazarener finden, wenn sie nicht die alten Worte der Macht kennen.«
    Sie näherte sich dem Wasser und schien auf ihre Art in ihr Reich zu entschwinden. Auf den Wellen blieb sie noch einmal stehen und sagte lächelnd zu Caillean: »Die Menschen des kleinen Volkes können von dir die Worte lernen, wenn sie sich als vertrauenswürdig erweisen. Vergiß nicht, nur die Eingeweihten werden die Nebel teilen können und Avalon finden.«
    Caillean nickte und verneigte sich tief. Als sie sich langsam aufrichtete, war die Fee nicht mehr da. Die Herrin von Avalon drehte sich entschlossen um und blickte auf den Tor. Die feuchte Luft roch frisch und rein. Ihr Herz klopfte langsam und gleichmäßig. Sie war glücklich und zufrieden mit allem, was geschehen war, denn in ihr tönte die Stimme der höheren Macht. Sie kannte ihren Auftrag, und es war wie ein Gelübde, als sie am Ufer niederkniete.
    Von nun an werden wir in einem Land leben, das weder Fürsten, Königen noch Kaisern zur Treue verpflichtet ist. Wir werden uns in Zukunft nur noch von den Göttern leiten lassen ...
    »Göttin«, flüsterte sie, »segne mich, damit ich das Land segnen kann!«

CAILLEAN
    »Von dem Augenblick an, als uns die Nebel zum ersten Mal schützend umgaben, galt für Avalon eine andere Zeit, die nichts mehr mit der äußeren Welt zu tun hatte. Von Beltane bis Samhain, und von Samhain bis Beltane folgten die Jahre im ungestörten Rhythmus aufeinander. Und seit diesem Tag hat niemand mehr den Tor entweiht.
    Im Rückblick scheint nur wenig Zeit vergangen zu sein. Aber die Tochter, die Sianna zur Welt brachte, ist bereits eine erwachsene Frau und eine geweihte Priesterin.
    Sianna ist praktisch, wenn auch noch nicht dem Titel nach, die neue Herrin von Avalon.
    Je beschwerlicher für mich jede Bewegung wird, desto mehr wenden sich meine Gedanken nach innen. Die jungen Priesterinnen versorgen mich gewissenhaft und lassen sich höflicherweise nichts anmerken, wenn ich sie mit dem Namen ihrer Mutter anspreche. Ich habe keine Schmerzen, aber es ist richtig, die Dinge der Vergangenheit sind mir zunehmend gegenwärtiger als das Geschehen um mich herum.
    Man sagt, es sei einer Hohepriesterin gegeben, zu wissen, wann ihre Zeit gekommen ist. Ich glaube, daß ich nicht mehr lange in diesem Körper bleiben werde.
    Regelmäßig bitten neue Zöglinge darum, für ein oder zwei Jahre bei uns aufgenommen zu werden. Sie wollen das alte Wissen lernen. Einige von ihnen bleiben und werden zur Priesterin geweiht.
    Bei uns auf Avalon gibt es wenig Veränderungen im Vergleich zu den Ereignissen jenseits der Nebel.
    Drei Jahre nach Gawens Tod kam Kaiser Hadrian nach Britannien und ließ von seinen Soldaten eine große Mauer quer durch das Nordland bauen. Aber wird diese Mauer dafür sorgen, daß die unbesiegten Stämme für immer in ihren Sümpfen und Bergen bleiben?
    Ich bezweifle es. Mauern sind grundsätzlich nur so stark wie die Männer, die sie bewachen. Deshalb wird die Mauer nur so lange eine wirkungsvolle Grenze sein,

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