Edens brisantes Geheimnis
PROLOG
Die Kälte in den letzten Apriltagen war wie ein unerwünschter Gast, der nicht recht zu wissen schien, ob er bleiben sollte oder nicht. Die letzten unansehnlichen Schneereste waren fast geschmolzen, aber auf den Straßen Brooklyns lag noch immer ein Hauch von Glatteis, in dem sich die Scheinwerferlichter des langsam dahinschleichenden Verkehrs diffus widerspiegelten. Payne Magnuson schlug den Kragen seines schwarzen Mantels hoch und zog das Revers über sein Schulterhalfter.
Er trug jetzt nur noch selten seine Pistole. Als älterer, erfahrener FBI-Agent lehrte er in der Regel in Quantico. Heute war er zu Besprechungen und einem Seminar, bei dem er anderen beibrachte, wie man eine zweite Identität annahm und heil aus Einsätzen herauskam, in New York. Payne besaß das praktische Wissen. Vor zwölf Jahren, als er vierundzwanzig gewesen war, hatte er sich in die höheren Ränge von Chicagos Mafiafamilien eingeschlichen und eineinhalb Jahre lang unter ihnen gelebt. Seine Bänder und Aussagen hatten zum Sturz der Familie Verone geführt. Er hätte stolz darauf sein sollen. In gewissen Kreisen war Payne bereits eine Legende.
Und doch konnte er nie ohne Bedauern an jene Zeit zurückdenken. Seine Bemühungen hatten der Korruption in Chicago kein Ende gesetzt, ja, sie kaum angekratzt. Nach dem Fall der Verones hatte eine andere Familie ihren Platz eingenommen. Das Verbrechen zeigte sich als vielköpfige Hydra, gefräßig und nicht zu stoppen. Nun, ein Dutzend Jahre später, hatte Gus Verone, das alte Familienoberhaupt, sich wieder an die Spitze gesetzt. Bis auf zwei Männer, die immer noch im Gefängnis einsaßen, bestanden Strukturen, als hätte es Paynes Arbeit als Undercoveragent nie gegeben.
„Das Restaurant wird dir gefallen", sagte sein Begleiter.
„Wie kommst du darauf, Danny-O?"
„Wir gehen zum Italiener."
Wie viele junge Agenten vermutete Danny Oliphant, dass Paynes Vorfahren aus der Mittelmeerregion stammten. Wegen seiner schwarzen Haare und der dunklen Augen? Seiner entfernten Ähnlichkeit mit Al Pacino? Weit gefehlt, Payne war kein Italiener. Sein Nachname, Magnuson, hatte schottische Ursprünge, und Payne war in Wisconsin aufgewachsen, wo die kulinarischen Köstlichkeiten sich hauptsächlich auf Fleisch und Kartoffeln beschränkten.
Seine einzige Beziehung zur italienischen Küche rührte aus der Zeit als verdeckter Ermittler, als er sich Peter Maggio nannte.
Payne hatte es sich zur eisernen Regel gemacht, die italienische Szene zu meiden. In Chicago hatte er eine Menge Leute kennen gelernt, denen er nicht besonders gern über den Weg laufen mochte. Und die sich auch nicht freuen würden, ihn wieder zu sehen. Payne, in seiner Rolle als Peter Maggio, war tot.
Danny Oliphant, ein stämmiger Rotschopf mit unschuldsvollem, stupsnasigem Gesicht, hielt ihm die Tür zum Restaurant Mama Paisan's auf.
Im Foyer legten sie die Mäntel ab und betraten den angenehm warmen Speiseraum. Auf den Tischen lagen rot-weiße Tischdecken, und als Blumenvasen dienten bastumflochtene Chiantiflaschen. An einer Wand zog sich eine lange Bar entlang. Tarantellamusik untermalte die angeregte Unterhaltung der Gäste.
Instinktiv schaute Payne sich die Gesichter an, suchte nach Feinden. Einen Mann kannte er. Kein Feind. Ein Agent aus dem heutigen Seminar.
„Luke Borman." Payne wandte sich an Danny-O. „Ich wusste gar nicht, dass wir uns hier mit jemand treffen."
„Ich auch nicht." Danny-O winkte dem anderen Mann zu und ging auf ihn zu. „Hallo, Luke. Was für ein Zufall, dich ausgerechnet hier zu treffen."
Zu viel Zufall, dachte Payne. Als er über den Tisch griff und Luke die Hand schüttelte, klaffte dessen Jacke. Ein Pistolengriff im Schulterhalfter war zu sehen. Das harmlose Essen bekam den Charakter eines geplanten Treffens.
„Setz dich doch zu uns", bot Danny-O an.
„Danke, aber das geht leider nicht." Luke warf einen Blick auf seine Armbanduhr. „Ich warte auf meine Freundin. Wie gewöhnlich kommt sie zu spät."
Ein völlig normaler Grund dafür, dass er hier saß. Und reiner Zufall, dass er zur selben Zeit wie sie in diesem Restaurant war. Doch Payne glaubte nicht an Zufälle. Sein Misstrauen war geweckt.
Er ging voran zu einem Tisch in der Mitte des Raumes und setzte sich mit dem Rücken zur Wand, wachsam und auf der Hut vor unerwarteter Gefahr. Dennoch blieb die entspannte Atmosphäre rundherum nicht ohne Wirkung auf ihn. Der köstliche Duft nach Tomaten, Oregano, Knoblauch, frischem Brot und
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