Die Hölle lacht
schloss den Deckel und sofort schien es im Wald dunkel wie in einem Sarg zu sein. … … … … .
Nicht jedoch für Athus gelbe Augen, die in der Finsternis besser sahen als bei Tag. Er klemmte sich die Truhe wieder unter den Arm, löste sich vom Boden und schwebte zwischen den Bäumen nordwärts, zurück zum Schwertschädel.
Im Mondschein ließ er sich langsam neben dem schmalen Wasserfall hochtragen, bis er seine Höhle erreicht hatte.
Aleil schlief. Athu blieb neben ihr stehen und blickte auf sie hinab. Er beugte sich über ‚sie und strich mit der Hand leicht über ihr Gesicht und versetzte sie so in einen Wachschlaf.
»Du wirst mir helfen, Aleil«, flüsterte er ihr zu. »Jetzt ist die Zeit gekommen, mich auf beachtliche Weise zu unterstützen. Der Othalus ist fertig, er braucht nur noch die Seele. Also steht die Erfüllung meiner Rache bevor. Doch du musst mir helfen.«
Wie in Antwort auf einen Ruf der tieferen Schichten des wachsamen Geistes Athus flatterte im ersten Dämmerlicht des Morgengrauens ein Spatz zur Höhlenöffnung. Er landete, hüpfte auf seinen dünnen Beinchen herum, legte den Kopf schief und betrachtete neugierig den Zauberer und die schlafende Frau. .
Athu lächelte.
»Geh zu diesem Vogel«, flüsterte er Aleil zu. »Er wird seine Seele mit dir teilen. Geh zu dem Vogel.«
Er fuhr mit der Hand über sie, dann deutete er mit einem Zucken der Rechten – als schüttle er Wasser von den Fingern auf den Spatz. Der Vogel piepste kurz, fiel nach vorn, dann richtete er sich flatternd wieder auf.
Erneut lächelte Athu.
»Du verstehst mich, Aleil?«
Der Spatz schilpte, flog in der Höhle herum und setzte sich vorsichtig auf Aleils schlafenden Körper.
»Flieg«, befahl Athu. »Flieg und finde Urdus’ Seele. Sieh nach, wo er ist und kehr hierher zurück, um es mir zu sagen. Ich muss wissen, wo unser riesenhafter Vanir ist. Wir müssen uns vorbereiten.«
Wieder schilpte der Spatz, dann flog er aus der Höhle ins Morgengrauen. Athu trat an den Eingang, um ihm nachzuschauen, aber bis er ihn erreichte, war der Vogel bereits im dichten Wald verschwunden.
Die ersten Strahlen der aufgehenden Sonne warfen ihren goldenen Schein auf Hubarthis und seine Leute, die auf einer kleinen Lichtung ihr Lager gemacht hatten. Die Wachen saßen auf ihren Posten, die Hände müde um den Schwertgriff. Vor ihnen lagen ihre Kameraden. Die meisten schliefen noch, doch einige waren bereits erwacht und machten sich daran sich aufzurichten.
Sonja hatte keinen Schlaf gefunden, genauso wenig wie Desmos. Sie saßen ein wenig abseits von den andern auf einem gefällten Baumstamm. Die Umstände hatten sie zusammengebracht, doch nun teilten sie etwas, das über alle Unterschiede von Geschlecht, Rasse und Wesen hinausging. Sie waren die einzigen dieses Trupps, die von dem Vergnügungsschiff kamen, die einzigen, die sich an die schönen Tage an Bord der Niros erinnerten, an das schallende Gelächter von Kapitän Tio, an die Edelmänner und Frauen und die Geschäftsleute, an alle, die nun tot am Grund des Shirki lagen. Sie waren die einzigen, die jene seltsame Ruhe am Ende des Sturms überlebt hatten, als sie die Insel noch nicht ganz erreicht hatten. Sie allein atmeten noch, waren von Leben erfüllt und dem Verlangen nach Rache.
»Ich muss ihn töten«, flüsterte Desmos bedrückt.
»Euren Bruder?«
»Ja.« Er drückte die Hände zusammen, hob sie zu den Lippen. »Wisst Ihr, woran ich denke? Nein, wie auch. Ich denke an Lieder und Gedichte, wie man sie am Hof vortrug. Diese alten Balladen von Rache und Tod, von Würde, Ehre und Gerechtigkeit – sie sind wahrer, als die meisten glauben, wisst Ihr das? Sie sind so wirklichkeitsnah …«
Sonja blickte ihn an. »Der Verbrecher, von dem Ihr mir erzählt habt – der, nach dessen Verbannung Ihr Euch so verändert habt –, war das …«
»Ja, es war Betos.«
Eine. Weile grübelte Desmos vor sich. hin. Schließlich fragte er: »Habt Ihr gesehen, wie sehr diese Burschen unseren Tod wollten? Habt Ihr es in ihren Augen gelesen, Sonja? Vor allem meinen Tod, natürlich. Ich bin verantwortlich dafür, dass viele von ihnen überhaupt auf die Insel verbannt wurden – und dafür, dass sie nun hier, in diesem Wald sind wir hinter ihnen her, und sie hinter uns. Es ist ein Wahnsinn!«
Sonja schaute ihn nur stumm an.
»Wenn ich das überlebe«, fuhr Desmos fort und blickte auf die Regenpfützen, in denen sich nun die Sonne spiegelte. »Wenn ich das überlebe, glaube ich nicht,
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