Die Hüter der Nacht
seinen Fingern quoll Blut hervor. Der Beamte schaute in schockierter Furcht zu Ben auf, als er die Umstehenden beiseite schob und den Verletzen so behutsam wie möglich auf die Arme nahm, damit er nicht von der Menge niedergetrampelt werden konnte.
»Es tut mir Leid«, krächzte der junge Beamte mit zitternden Lippen.
»Sie sind ein Held. Ihnen braucht nichts Leid zu tun.«
»Rah a moot .«
»Sie werden nicht sterben. Ich helfe Ihnen.« Ben legte den jungen Beamten jenseits der fernen Seitenlinie ab, wo es halbwegs ruhig war, und drückte eine Hand auf seine Wunde, um die Blutung zu stoppen. Das Blut war warm, beinahe heiß. Ben spürte, wie es gegen seine Handfläche drückte und sich ausbreiten wollte. »Bald geht es Ihnen wieder besser.«
Ben rief zwei Sicherheitsleute des Stadions zu sich, und die Männer lösten ihn widerstrebend bei dem verletzten Beamten ab.
»Einer von Ihnen bleibt bei ihm!«, befahl Ben. »Der andere besorgt einen Krankenwagen und bringt ihn von hier fort.«
Sein Tonfall ließ keinen Widerspruch zu. Er fuhr herum und entdeckte Mahmoud dicht hinter der Mittellinie, wo er sich einen Weg durch die Menge bahnte. Ben verfolgte ihn übers Mittelfeld. Er schob Zuschauer aus dem Weg, ließ Fasil keinen Moment aus den Augen. Seine Waffe hielt er tief an der Hüfte und hoffte, so lange wie möglich unbemerkt zu bleiben.
Er war noch etwa 20 Meter entfernt, als der Terrorist den Kopf wandte und ihn entdeckte. Ben sah, wie Fasil die Hand mit der Waffe hob und war überzeugt, dass er das Feuer auf ihn eröffnen würde; stattdessen drehte der Terrorist sich wieder um und gab eine Reihe von Schüssen in den Bereich vor sich ab. Ben sah, dass drei Personen stürzten, von Kugeln in den Rücken getroffen.
»Fasil!«, rief er, als das Chaos, das der Terrorist geschaffen hatte, nach allen Richtungen um sich griff.
Menschen in Panik rammten ihn, stießen ihn hin und her. Ben blieb die Luft weg. Er erinnerte sich, wie er als Kind von mehreren Jungen getreten worden war, die ihn auf dem Schulhof zu Boden geschlagen hatten, und wie er sich hatte aufrappeln wollen und es nicht geschafft hatte. Heute kämpfte er darum, auf den Beinen zu bleiben, sich vorwärts zu kämpfen und in dem verrückten Gewimmel vor sich die Pistole ruhig zu halten.
Zum Teufel mit al-Asi! Dass er ausgerechnet diesen Fall der Polizei überlassen musste …
Welche Furcht Ben auch empfunden haben musste, sein Zorn war noch stärker. Er eilte unbeirrt weiter, unempfindlich gegenüber der Panik ringsum. Er bahnte sich einen eigenen Weg und stürmte durch die Gasse, die nur Minuten zuvor von den Fußballspielern geschaffen worden war. Mahmoud Fasil hatte beinahe das entfernte Tor erreicht, als Ben hielt und seine Pistole in Beidhandanschlag nahm.
»Polizei! Alles auf den Boden!« Dann: »Fasil, stehen bleiben!«
Schreiend warf sich die Menge vor Ben zu Boden. 20 Meter vor ihm erstarrte Fasil und hielt die Pistole tief an seiner Hüfte.
»Waffe fallen lassen, Fasil! Sofort!«
20 Meter war keine gute Schussdistanz für jemanden wie Ben, der kein erfahrener Scharfschütze war. Doch im Augenblick war ihm das gleichgültig. In diesem Moment kam ihm überhaupt nicht in den Sinn, dass er vorbeischießen könnte.
»Waffe fallen lassen!«, wiederholte er.
Stattdessen fuhr Fasil herum und eröffnete das Feuer.
Ben schoss ebenfalls. Es geschah so schnell, dass es ihm gar nicht bewusst wurde. Er nahm nur verschwommen wahr, dass es aus der Mündung von Fasils Pistole blitzte, gefolgt von einem hohlen Krachen, das vom scharfen Peitschen seiner eigenen Waffe begleitet wurde. Wieder und wieder drückte er ab, so schnell er konnte. Sein breitbeiniger Stand verringerte das Rucken der Waffe beim Rückstoß auf ein Minimum. Das metallische Klicken der ausgeworfenen Patronenhülsen und den Gestank von Kordit nahm er nur am Rande seines Bewusstseins wahr.
Er zielte aus Instinkt und Übung, nicht aus kühler Überlegung. Er schoss nicht besser als Fasil, aber ausdauernder, denn die Pistole des Terroristen klickte plötzlich, weil sich keine Patrone mehr in der Waffe befand. Bens letzte Kugeln stießen den Terroristen zurück ins Tor, wo er gegen das Netz prallte.
Ben drückte weiter ab, bis auch seine Pistole leer geschossen war. Er hörte erst auf, als die Schüsse in seinen Ohren verhallten und der Schleier des Pulverrauchs sich lichtete.
Ben bahnte sich einen Weg durch den überfüllten Umkleideraum, vorbei an Vertretern der Presse und
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