Die irische Signora
in einem römischen Hotel? Lächerlich. Aber Connie hielt sich dicht an den Mauern und Schaufensterscheiben, als sie zum Hotel zurückging.
Nervös erkundigte sie sich an der Rezeption, ob eine weitere Nachricht für sie eingetroffen war.
»Nein, Signora Kane, nichts.«
Barry und Fiona gingen zu der Bar, in der Barry während der Fußballweltmeisterschaft all diese netten Italiener kennengelernt hatte. Er hatte damals Fotos gemacht von den Fahnen, den bunten Flaggen und den Jack-Charlton-Kappen.
»Hast du ihnen denn geschrieben, daß du kommst?« fragte Fiona.
»Nein, das ist kein Ort, wo man sich anmeldet. Du schaust einfach vorbei, und alle sind da.«
»Jeden Abend?«
»Nein, das nicht … aber meistens.«
»Stell dir doch mal vor, wenn die Leute nach Dublin kämen, um dich wiederzusehen, da wärst du vielleicht gerade an dem Abend nicht im Pub. Habt ihr denn keine Adressen ausgetauscht?«
»Adressen braucht man da nicht.«
Hoffentlich behält er recht, dachte Fiona. Es lag Barry so viel daran, die Leute wiederzusehen und mit ihnen gemeinsam die Erinnerung an jene glorreichen Tage wiederaufleben zu lassen. Er würde sehr enttäuscht sein, falls er erfahren mußte, daß sich die alten Fußballfans nicht mehr dort trafen. Oder – noch schlimmer – daß sie ihn vergessen hatten.
An diesem Abend konnte jeder tun, wozu er Lust hatte. Unter anderen Umständen hätte Connie vielleicht mit Fran und Kathy zusammen einen Schaufensterbummel gemacht oder mit ihnen in einem Straßencafé etwas getrunken. Doch wie die Dinge lagen, hatte Connie Angst, in der Dunkelheit auszugehen. Vielleicht legte es ja wirklich jemand darauf an, sie vor eins der Autos zu stoßen, die auf den Straßen Roms dahinrasten.
Und wenn die Umstände andere gewesen wären, hätten die Signora und Aidan zusammen gegessen und über den nächsten Tag gesprochen, an dem ein Besuch des Vatikans geplant war. Doch Aidan war gekränkt und fühlte sich einsam, während sie ein ruhiges Plätzchen brauchte, um sich über das überraschende Angebot klarzuwerden, das man ihr gemacht hatte.
Sie wollten, daß sie zurückkam und ihnen im Hotel half, daß sie ihnen englischsprachige Gäste bescherte und wieder zu einem Teil der Dorfgemeinschaft wurde, die sie lange Jahre als eine Außenseiterin betrachtet hatte. Es hätte all den Jahren des Beobachtens und Wartens schließlich doch noch einen Sinn gegeben. Sizilien, wo sie den größten Teil ihres vergangenen Lebens verbracht hatte, würde ihr auch eine Zukunft bieten. Alfredo hatte sie angefleht zurückzukommen. Wenigstens für einen Besuch, damit sie sich selbst ein Bild machen konnte, wie die Dinge standen. Dann würde sie mit eigenen Augen sehen, was es dort alles für sie zu tun gab, wie sehr die Dorfbewohner sie schätzten. Deshalb saß die Signora allein in einem Café und dachte nach.
Nur ein paar Straßen weiter saß Aidan Dunne und versuchte, sich all die angenehmen Seiten dieser Italienreise in Erinnerung zu rufen. Immerhin hatte er es nicht nur geschafft, einen Kurs ins Leben zu rufen, der das ganze Jahr überdauert hatte, die Teilnehmer waren am Ende sogar zusammen nach Rom gefahren. Ohne ihn hätten sie das nie zuwege gebracht. Und er hatte ihnen seine Liebe zu Italien vermitteln können, keiner hatte sich bei seinem Vortrag heute gelangweilt. Somit hatte er sein Ziel erreicht. Ja, er hatte ein Jahr des Triumphes hinter sich. Doch da meldete sich natürlich auch eine andere innere Stimme zu Wort, die ihm sagte, daß alles Noras Werk gewesen war. Sie hatte diese große Begeisterung geweckt, mit ihren albernen Spielen und den komischen Schachteln, die mal als Krankenbetten, mal als Bahnhofsbänke und mal als Restauranttische dienten. Nora hatte ihnen allen diese klangvollen italienischen Namen verpaßt und aus tiefstem Herzen geglaubt, daß sie wirklich eines Tages zusammen auf eine
viaggio
gehen würden. Und nun, kaum daß sie selbst wieder in Italien war, erlag sie dem Zauber dieses Landes.
Sie müsse etwas Geschäftliches besprechen, hatte sie ihm gesagt. Was konnte sie schon mit einem sizilianischen Kellner zu bereden haben, selbst
wenn
sie ihn schon von klein auf kannte? Ohne daß es ihm auffiel, bestellte er bereits das dritte Bier und beobachtete die vielen Menschen, die in dieser warmen Nacht durch die Straßen Roms flanierten. Noch nie in seinem Leben hatte er sich so einsam gefühlt.
Kathy und Fran erzählten, daß sie einen Spaziergang machen wollten. Sie hatten sich
Weitere Kostenlose Bücher