Die irische Signora
während sie sich Connies Glas Chianti nahm und es in einem Zug leerte.
Mit einem Blick und einer winzigen Geste bedeutete Connie dem Kellner, mehr Wein und ein zweites Glas zu bringen. Er schien die Spannung zu spüren, denn als er Flasche und Glas brachte, stellte er beides nur wortlos hin; kein kleiner Scherz, nicht einmal ein freundliches Wort der Begrüßung kam diesmal über seine Lippen.
»Ich habe ihn lange Zeit geliebt.«
»Schöne Art, ihm das zu zeigen, indem Sie ihn verpfeifen und ins Kittchen bringen.«
»Da habe ich ihn nicht mehr geliebt.«
»Ich liebe ihn noch heute.«
»Ich weiß. Und obwohl Sie mich hassen mögen, ich habe Sie nie gehaßt.«
»Ach nein?«
»Nein. Denn ich wußte, daß er Sie brauchte und wahrscheinlich immer noch braucht.«
»Nein, jetzt nicht mehr, und das geht ebenfalls auf Ihr Konto. Wenn er rauskommt, zieht er nach England. Das ist Ihre Schuld. Sie haben es ihm unmöglich gemacht, in seiner Heimat zu leben.« Siobhans fleckiges Gesicht sah unglücklich aus.
»Aber ich nehme doch an, Sie begleiten ihn.«
»Nein, da irren Sie sich.« Wieder dieser höhnische Ton und dazu der irre, gehetzte Blick.
Jetzt durfte Connie keinen Fehler machen. Das war lebenswichtig. »Ich war eifersüchtig auf Sie, aber ich habe Sie nie gehaßt. Denn Sie konnten ihm alles geben, ein richtiges Liebesleben, Treue, echtes Verständnis für seine Arbeit. Er hat die meiste Zeit mit Ihnen verbracht, Himmel noch mal, wie sollte ich da nicht eifersüchtig sein?« Damit hatte sie Siobhans Aufmerksamkeit wieder geweckt. »Aber glauben Sie mir bitte, ich habe Sie niemals
gehaßt
.«
Interessiert musterte die ehemalige Sekretärin sie. »Wahrscheinlich waren Sie ganz froh, daß er es nur mit mir trieb und nicht mit einer ganzen Heerschar anderer Frauen?«
Das war dünnes Eis. Connie wußte, daß alles an ihrer Antwort hing. Sie betrachtete das verhärmte Gesicht von Siobhan Casey, dieser Frau, die Harry seit jeher geliebt hatte und immer lieben würde. Wußte sie wirklich nichts von der Stewardeß, von der Frau, der in Galway ein kleines Hotel gehörte, von der Gattin des Geschäftspartners? Wie war das möglich, sie hatte ihm doch immer so nah gestanden? Aber so genau sie Siobhans Gesicht auch musterte, sie sah darin nur die Überzeugung, die einzige Frau in Harry Kanes Leben gewesen zu sein.
Nachdenklich suchte Connie nach Worten. »Ja, das ist wohl wahr. Es wäre bestimmt sehr demütigend gewesen, sich vorzustellen, daß er hinter jedem Rock her war … aber trotzdem hat es mir nicht gerade gefallen … ich wußte schließlich, daß er und Sie etwas ganz Besonderes miteinander teilten. Wie schon gesagt, er hätte gleich Sie heiraten sollen.«
Siobhan dachte darüber nach, doch als sie antwortete, hatten sich ihre Augen zu Schlitzen verengt. »Wenn Ihnen also klar war, daß ich Ihnen hierher gefolgt bin, ich Ihnen diesen Brief geschrieben habe, warum hatten Sie dann keine Angst?«
Connie hatte panische Angst, doch sie riß sich zusammen. »Wahrscheinlich habe ich gedacht, Sie wüßten, daß Sie für Harry die einzige Frau sind, die zählt. Auch wenn es vielleicht die eine oder andere Schwierigkeit gibt.« Siobhan lauschte gebannt. »Und natürlich habe ich eine Art Lebensversicherung abgeschlossen, Sie kommen also nicht ungeschoren davon, wenn Sie mir wirklich etwas antun sollten.«
»Sie haben was?«
»Ich habe meinem Anwalt einen Brief geschrieben mit der Anweisung, ihn zu öffnen, sollte mir in Rom oder auch sonst irgendwo plötzlich etwas zustoßen. Darin befindet sich eine Kopie Ihrer Nachricht sowie mein Vermerk, daß sie möglicherweise von Ihnen stammt.«
Beinahe bewundernd nickte Siobhan. Ach, hätte man doch mit dieser Frau vernünftig reden können! Doch dazu hatte sie sich viel zu sehr in ihre Verzweiflung hineingesteigert. Es war nicht der richtige Zeitpunkt für ein Gespräch von Frau zu Frau, in dem Connie ihr raten könnte, sich zusammenzureißen, etwas für ihre äußere Erscheinung zu tun, in England ein gemütliches Heim für Harry zu schaffen und dort auf seine Entlassung zu warten. Denn Connie war sicher, daß längst nicht alles Geld aufgespürt und zurückerstattet worden war. Doch es war schließlich nicht ihre Aufgabe, Siobhans Leben in die Hand zu nehmen. Und ihr zitterten immer noch die Knie. Zwar hatte Connie es bislang geschafft, ruhig und normal zu wirken, obwohl sie einer gefährlichen Verrückten gegenübersaß, die gedroht hatte, sie zu ermorden. Aber sie
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