Die Jungens von Brug Schreckenstein
Dampfwalzes Mutter kam.“
Und nachdem der Dicke grußlos an ihm vorbeigegangen war, fügte er noch hinzu:
„Von dem krieg’ ich heut’ noch Geld!“
Zu weiteren Erklärungen wieso und warum kam es jedoch nicht, denn in diesem Augenblick lief unsere Mannschaft unter Führung von Dampfwalze auf den Platz. Die Favoriten wurden stürmisch begrüßt, und der Kampf begann.
Zuerst mit Reden. Der Rex dankte dem Bürgermeister für die Schule, der Bürgermeister dankte dem Rex für die geleistete Arbeit. Daß wir sie gemacht hatten, übersah er dabei geflissentlich. Dann dankte der Rex dem Grafen, der Graf dem Bürgermeister, der Bürgermeister dem Grafen und schließlich der Graf sich selbst. Seine Ansprache klang jedenfalls so verworren, daß man ihr nichts anderes entnehmen konnte. Mauersäge hatte nämlich eine sonderbare Angewohnheit. Er unterbrach sich nach jedem dritten Wort mit einem Kopfnicken, wobei er ein Geräusch ausstieß, das wie unterdrücktes Niesen klang. „Schalten“ nannten wir das und zählten genauestem mit. Es nahm und nahm kein Ende. Nach 74 Schaltungen endlich fiel der erste Startschuß.
Wir begannen—was sonst nicht üblich ist—mit den Läufen, da die Aschenbahn jetzt noch im Schatten lag. Das anfängliche Ermutigungsgeheul der Ritter wurde jedoch bald immer spärlicher, denn die Franz-Joseph-Schüler gewannen, wie sie wollten. Ihre Schule war zwar nur eine „Presse“, das heißt: für besonders schlechte Lerner. Im Kopf hatten sie es demnach nicht, aber dafür in den Beinen. Das mußte ihnen der Neid lassen.
Beim Hindernislauf verstauchte sich Ottokar zu allem Unglück auch noch den Fuß und mußte ausscheiden, so daß der Vorsprung der Franz-Joseph-Schüler nach den Läufen bereits 21 Punkte betrug.
Rolle fiel gänzlich aus der Rolle. So nervös war er noch nie gewesen:
„Wir brauchen einen Doppelsieg in Kugel und Diskus! Hört ihr, einen Doppelsieg!“ stammelte er.
Da kam der Rex dazwischen:
„Machen Sie mir die Jungens nicht nervös, Herr Türk!“ Rolle hieß nämlich in Wirklichkeit Türk, was aber die wenigsten wußten.
„Geht auf und ab und konzentriert euch!“ fuhr er fort, „wie’s steht, erfahrt ihr noch früh genug!“
Der Rex hatte vollkommen recht, und die Athleten begannen abseits von den anderen Lockerungsübungen zu machen. So einträchtig nebeneinander hatte man Dampfwalze und Stephan noch nie gesehen. Das gemeinsame Ziel verband sie. Wenigstens jetzt.
Während der Sprungübungen fiel Mauersäge dadurch auf, daß er mit seinem dicken Gast quer über das Feld zum Kappellsee ging. Dort standen sie lange und ruderten mit wilden Armbewegungen in der Gegend herum, wie zwei Ingenieure, die mindestens ein Stauwehr bauen wollen.
Stephan belegte im Weitsprung den zweiten Platz, hinter einem Ebert-Schüler, was uns einige Punkte einbrachte, da die Franz-Joseph-Hüpfer alle übertraten.
Im Hochsprung wurde er Dritter, wieder hinter zwei Ebert-Männern. Seine Vielseitigkeit war einfach toll. „Prima“, sagte Ottokar und humpelte zu ihm, „wenn du so weitermachst, bist du in einer Stunde Ritter!“
„Wird schon schiefgehen!“ gab der gelassen zurück.
Mensch, die Ruhe möcht’ ich haben, dachte Ottokar, war er doch selbst gerade vor lauter Aufregung gestolpert, als man ihn am Wassergraben überholen wollte.
Da saß Stephan und zog sich in aller Seelenruhe die Schuhe mit den Absatzdornen für die Wurfübungen an. Ein Mann, der alles zu gewinnen oder zu verlieren hatte. Ottokar bewunderte ihn insgeheim.
„Fertigmachen zum Diskuswerfen“, ertönte Strehlaus Stimme. Sie klang sehr wichtig. In der Tat hatte sich der Musterschüler als ebenso musterhafter Schiedsrichter erwiesen.
Die Franz-Josephler lagen noch immer mit beachtlichem Vorsprung vor den Schreckensteinern, denen die Ebert-Schüler mit nur zwei Punkten Abstand folgten. Nun hatte die Franz-Joseph-Schule für das Diskuswerfen einen Mann aufgestellt, ein wahres Gebirge von einem Kerl. Uns wurde himmelangst. Aber gerade die Masse war es, die er bei der Drehung nicht schnell genug herumbrachte. Beim zweiten Durchgang fiel er sogar aus dem Ring, was den Punktabstand weiter verringerte. Dampfwalze legte einen gewaltigen Wurf hin, ihm folgte Stephan mit einem Meter Abstand. Der erforderliche Doppelsieg war geschafft und wurde stürmisch beklatscht. Die Stimmung der Ritter stieg. Aber noch war die Lage brenzlig, denn auch das Speerwerfen, andern von uns nur Werner und der verletzte Ottokar teilnahmen,
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