Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Känguru-Offenbarung (German Edition)

Die Känguru-Offenbarung (German Edition)

Titel: Die Känguru-Offenbarung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc-Uwe Kling
Vom Netzwerk:
ja interessant. Ihre Mutter …«
    »Das war nur ein Scherz«, sage ich.
    »Aha.«
    »Ich habe kein Problem mit meiner Mutter.«
    »Erzählen Sie doch mal von ihr.«
    »Nein«, sage ich. »Ich bezahle Sie hier, damit ich Ihnen vom Känguru erzählen kann, was irgendwie absurd ist, denn normalerweise bezahlen die Leute mich, damit ich ihnen etwas vom Känguru erzähle.«
    »Aha. Und dieses Känguru …«
    »Sie kennen das Känguru!«, sage ich genervt. »Ich hatte es doch mal mitgebracht!«
    »Nein, nein«, sagt mein Psychiater merkwürdig lächelnd. »Daran würde ich mich wohl erinnern.«
    Kurz zuckt sein linker Mundwinkel, und seine Augenlider flackern.
    »Ihre Augen …«, sage ich.
    »Ja, Sie haben auch sehr schöne Augen«, sagt er. »Aber bitte hören Sie auf, mich in Versuchung zu führen. Ich darf nicht.«
    Ich seufze kopfschüttelnd.
    »Aber was glauben Sie, warum haben Sie das Känguru nicht mehr in Ihrem Kopf?«, fragt mein Psychiater.
    »Es wurde abgeschoben«, sage ich traurig. »Es glaubt – aus mir nicht ganz verständlichen Gründen –, unser Nachbar, der Pinguin, stecke irgendwie dahinter. Es glaubt, der Pinguin sei sein Antagonist, sein kosmischer Widersacher, sein Erzfeind …«
    »Aha. Der Pinguin … Vielleicht war ich etwas voreilig mit dem Wort ›geheilt‹. Sagen wir, es geht Ihnen besser …«
    »Der Messias wollte dem Känguru zwar zur Flucht verhelfen, aber stattdessen ist er spurlos verschwunden …«
    Mein Psychiater streicht wild in seinen Notizen herum.
    »Aha. Sagen wir, es geht Ihnen etwas schlechter. Der Messias?«
    »Ach so«, sage ich. »Ich war ja schon eine Weile nicht mehr bei Ihnen … Das Känguru hat in der Zwischenzeit eine Anti-Terror-Organisation gegründet, die Anti-Terror-Anschläge begeht. Gegen den Terror des Ministeriums für Produktivität , der Initiative für mehr Arbeit und der Radio NRJ Morning Show und so. Wir nennen uns Das Asoziale Netzwerk . Es gibt keine Hierarchien, und jedes Mitglied darf sich selbst einen – natürlich bedeutungslosen – Rang oder Titel aussuchen. Und der Messias nennt sich halt Messias. Er ist Polizist.«
    »Nun gut. Sagen wir, Ihr Zustand hat sich massiv verschlechtert.«
    »Jedenfalls habe ich seit der Abschiebung nichts mehr vom Känguru gehört, und jetzt weiß ich nicht, ob ich mir Sorgen machen soll, dass ihm etwas zugestoßen ist, oder ob ich sauer sein soll, weil es nur irgendwo hockt, World-of-Warcraft spielt und sich nicht meldet, weil es einfach nicht an mich denkt.«
    »Ich muss gestehen, ich war ja kurz nach Ihren letzten Besuchen selber längere Zeit in Behandlung …«
    »Gut so«, sage ich. »Als Sie das Känguru gesehen haben, sind Sie auf den Möbeln umhergesprungen und haben getschilpt wie ein Vogel.«
    Wieder zuckt sein linker Mundwinkel, und seine Augenlider flackern.
    »… und wissen Sie, was mir geholfen hat? Nicht daran denken. Verdrängen. Eine ganz tolle neue Therapiemethode aus den USA.«
    »Aber Sie haben mir doch früher immer gesagt, man müsse Probleme aufarbeiten. Einmal haben Sie mir sogar von Ihrer Kindheit erzählt! Eine ganze Sitzung lang haben Sie von Ihren Papageien berichtet, die Sie über alles geliebt haben. Und von dem Tag, an dem Ihre gestörte Mutter die Papageien vergiftete und Sie und Ihren kleinen Bruder gezwungen hat, mit diesen toten Vögeln den Dead-Parrot-Sketch von Monty Python nachzuspielen …«
    »Ich hatte keine Mutter«, sagt er merkwürdig lächelnd.
    »Wie bitte?«, frage ich.
    Sein linker Mundwinkel zuckt, und seine Augenlider flackern.
    »Ich bin ein Waisenkind«, sagt er, immer noch lächelnd.
    »Wie?«
    »Verstehen Sie nicht?«, fragt er. »In meiner Erinnerung mach ich mir die Welt, widdewiddewie sie mir gefällt. Jeder Mensch macht das, die meisten leider nur unbewusst. Mit professioneller Hilfe aber kann Ihre Kindheit zu einer Astrid-Lindgren-Geschichte werden. Immer wenn bei mir sehr unangenehme Erinnerungen hochkommen, singe ich zum Beispiel ganz laut Titellieder von Kinderserien. Das lenkt mich ab.«
    »Titellieder von Kinderserien?«, frage ich verwundert.
    Im schönsten Tenor beginnt mein Psychiater zu singen: »Mila kann fliegen wie die Schwalben über Fujiyama. Mila kann siegen. Irgendwann ist sie ein Superstar. Immer, immer am …«
    »Das lenkt ja sogar mich ab«, sage ich irritiert.
    »Haben Sie denn Ihre Gedanken unter Kontrolle?«, fragt mein Psychiater. »An was denken Sie jetzt zum Beispiel?«
    »Äh …«, sage ich. »Suppe, Salat, Schnitzel.«
    »Ha!

Weitere Kostenlose Bücher