Die kaputte Elite: Ein Schadensbericht aus unseren Chefetagen (German Edition)

denen die Top-Firmen locken, sind in Wahrheit ein teuflisch niedriger Preis für den Verkauf der Seele.
    Natürlich ist es legitim, von gut bezahlten Mitarbeitern hohen persönlichen Einsatz einzufordern. Doch wir müssen uns die Frage stellen, wie wir werdende Führungskräfte auswählen und formen wollen. Auf dem Weg nach oben werden heute in der Wirtschaft ganz bestimmte Eigenschaften gefordert. Es sind nicht unbedingt die richtigen. Die bestehende Aufstiegs-Logik selektiert Individuen, die für Chefposten oft nicht geeignet sind. Belohnt werden nicht die besten Exemplare ihrer Art. An der Spitze stehen Manager, die sich vor allem durch Anpassung auszeichnen mussten. Aus Young Professionals, denen lediglich die Rolle leidensfähiger Rechenmaschinen und PowerPoint-Grafiker zukommt, werden später höchstwahrscheinlich keine visionären und kritischen Unternehmer mehr. Wer den Berufsanfängern jeden eigenen Gedanken in den ersten Jahren systematisch austreibt, der braucht sich über die Qualität der späteren CEO s nicht zu wundern.
    Der Aufruf »Head down and deliver« beschreibt nicht einfach nur das Leiden einer kleinen Zahl gut ausgebildeter High Potentials. Er steht für eine gefährliche Geisteshaltung der kaputten Elite. Eine falsche berufliche Sozialisation schafft ängstliche Technokraten-Manager – eine nutzlose, aber immer häufiger verkommene Spezies. Mit ihrem Führungsstil schadet sie Unternehmen und der Wirtschaft als Ganzes. Beliebt ist sie nur bei einer Gruppe: den Unternehmensberatern. Denn die wittern gutes Geschäft. Eine wahre Symbiose.
    [65] Website der Boston Consulting Group.
    [66] Eine der bekanntesten Aufgaben dieser Art: »Vor Ihnen liegen neun Kugeln und eine Apothekerwaage. Eine der Kugeln ist schwerer als die anderen acht. Wie identifizieren Sie mit nur zweimaligem Wiegen die schwere Kugel?«
    Lösung: Sie nehmen willkürlich zweimal je drei Kugeln und wiegen sie (drei Kugeln auf jeder Seite der Apothekerwaage). Nun gibt es zwei Möglichkeiten: Ist ein Trio schwerer als das andere, beinhaltet es in jedem Fall auch die eine schwerere Kugel. Sind die beiden Trios gleich schwer, muss sich die schwerere Kugel in jenem Trio befinden, das nicht gewogen worden ist. Sie wissen nun also, unter welchen drei Kugeln sich die schwerere befindet. Jetzt nehmen Sie wiederum willkürlich zwei dieser drei Kugeln, um sie zu messen (eine Kugel auf jeder Seite der Apothekerwaage). Wieder gibt es zwei Möglichkeiten: Wenn eine der beiden Kugeln schwerer ist, haben Sie den Übeltäter. Wenn die beiden Kugeln gleich schwer sind, ist die entscheidende Kugel die dritte (nicht gewogene). Voilà.
    [67] Website von McKinsey & Company.
    [68] Ebd.
    [69] Das gesamte Meisterwerk von E-Mail ist nachzulesen unter: http://hereisthecity.com/2009/04/18/that_too_busy_busy_defined_mem/.

Vision

Battle Call
    Ein Wandel ist möglich
    Battle Call [ˈb tl̩ kɔ:l] = Beraterbezeichnung für eine tägliche Sitzung, die meist am frühen Abend abgehalten wird, um zu besprechen, welche Aufgaben noch am selben Tag zu erledigen sind.
    Donnerstag, 20 Uhr 25. Flughafen München, Terminal 2. Die selbst ernannte Elite kehrt zurück von ihrem wöchentlichen Einsatz. Auf den wenigen Metern vom Gate bis zum Taxistand treffe ich ein gutes Dutzend Kollegen.
    Leer und erschöpft sind die müden Gesichter. Krawatten wurden schon beim Abflug abgenommen, tief und dunkel sind die Ringe unter den Augen. Der Druck der letzten Tage ist abgefallen – keine Calls und Updates, Briefings und Memos mehr. Nur noch ein Tag im Büro, dann zweimal ausschlafen. Die Excel-Krieger freuen sich auf ihre eigenen vier Wände.
    Harte Zeiten verlangen nach harten Maßnahmen. Die Change Agents und Folienakrobaten haben längst realisiert: Globalisierung und Digitalisierung stellen neue Anforderungen an die betriebliche Wettbewerbsfähigkeit. Extreme Komplexitäten bestimmen das Management. Noch nie waren Märkte so kurzlebig. Nie war der Druck größer, innovativer und schneller zu sein als die Konkurrenz. Wer mithalten will, muss gute Nerven haben.
    Doch lohnt sich der Kampf? Rennen wir in die richtige Richtung? Die Vagabunden der Business Class wissen es nicht. Denn sie sind blind geworden für das, was um sie herum passiert.
    Kein Vertrauen in die Eliten
    Unsere Ökonomie erlebt derzeit die schwerste Glaubwürdigkeits- und Stabilitätskrise seit der Großen Depression. Die Menschen sind verunsichert, sie fürchten sich vor der Zukunft. Mehr als die Hälfte aller