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Die kaputte Elite: Ein Schadensbericht aus unseren Chefetagen (German Edition)

Die kaputte Elite: Ein Schadensbericht aus unseren Chefetagen (German Edition)

Titel: Die kaputte Elite: Ein Schadensbericht aus unseren Chefetagen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benedikt Herles
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geworden.
    Die Wirtschaftswissenschaft hat sich in den letzten zehn Jahren neu erfunden. Ökonomen haben ihre Scheuklappen abgelegt und sich geöffnet für eine Vielfalt unterschiedlicher Theorien. Die bisherigen Annahmen wurden auf den Prüfstand gestellt. Sie orientieren sich nun weit mehr an der realen Welt. Die Volkswirtschaftslehre ist wieder eine offene Sozialwissenschaft.
    Der Homo oeconomicus hat abgedankt. Man findet ihn kaum noch in akademischen Publikationen. Stattdessen erlebte sein besserer Bruder, ich nenne ihn den »Homo authenticus«, einen kometenhaften Aufstieg. Er hat Macken und Kanten, irrt sich, ist durchaus gierig und hat Angst. Sein Handeln ist im Vergleich zum Homo oeconomicus deutlich schwerer vorherzusagen. Das bereitet vielen Ökonomen Kopfschmerzen. Insgeheim sehnen sie sich nach der Zeit ihrer vereinfachten Modelle zurück, in denen alles logisch ableit- und berechenbar war. Doch die meisten haben verstanden, dass sie sich mit dem wirklichen Menschen abfinden müssen.
    Das neue Denken an den wirtschaftswissenschaftlichen Fakultäten stellt Unternehmen (insbesondere Beratungen und Investmentbanken) vor große Herausforderungen bei der Rekrutierung von Absolventen. Hohe Einstiegsgehälter sind natürlich immer noch gute Verkaufsargumente. Doch die zukünftigen High Potentials haben andere Werte zu schätzen gelernt. Sie fordern jetzt selbstbestimmtes Arbeiten, spannende Inhalte und sinnstiftende Aufgaben. Berufseinsteiger schuften immer noch. Aber der Satz »Head down and deliver« gilt nicht mehr.
    Das Verständnis von Management hat sich gewandelt. Kunden und Mitarbeiter sind ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt. »Shareholder Value« wurde durch »Customer Employee Value« ersetzt. Nicht für Aktionäre oder Aufsichtsräte arbeiten die CEO s, sondern einzig für ihre Kunden und Mitarbeiter. Alle wissen: In Zeiten digitaler und globaler Märkte haben Firmen nur dann Überlebenschancen, wenn sie sich einer radikalen Verbraucherzentrierung verschreiben. Wer darin gut ist, wird ganz automatisch mit hohen Umsätzen belohnt. Je kurzlebiger das Geschäft und je größer der Wettbewerb, desto mächtiger die Abnehmer.
    Führungskräfte haben erkannt, dass nur offene Unternehmenskulturen und zufriedene Mitarbeiter ständige Innovationen für den Kunden produzieren. Firmen bemühen sich, Hierarchien radikal abzubauen. Sie haben verstanden, dass Organisationen lediglich dazu dienen, die Kräfte des Einzelnen zu vervielfältigen. Selbst auf die unterste Ebene wird gehört. Einige Betriebe stellen ihre Angestellten sogar für einen Nachmittag in der Woche frei, damit sie sich in dieser Zeit der Entwicklung und Umsetzung neuer Ideen widmen können. Berichtsstrukturen wurden reformiert und vereinfacht. Mitarbeiter und Teams organisieren sich zu großen Teilen selbst. Viele Abteilungen sehen sich als eigene kleine Firmen. CEO s betrachten ihre Aufgabe weniger darin, zu entscheiden und zu kontrollieren, als vielmehr darin, andere zu ermutigen und für die nötige Vernetzung innerhalb der Organisation zu sorgen.
    Agiles, unternehmerisches Management hat die technokratische Bürokratie ersetzt. Ständiges Ausprobieren im Kleinen, das Prinzip »Versuch und Irrtum«, ist zur wichtigsten strategischen Maxime geworden. Fehleinschätzungen sind erlaubt und erwünscht. Auf dem Weg nach oben ist jetzt Kreativität gefragt. Vor allem neue Ideen werden honoriert. Auch die Letzten haben begriffen, dass Technokraten-Manager schlechte Führungskräfte sind. Um den Kunden zu begeistern, braucht es keine PowerPoint-Folien.
    Selbstverständlich werden unternehmerische Entscheidungen auch weiterhin auf der Grundlage von Daten und Fakten getroffen. Allerdings haben insbesondere die jüngeren Führungskräfte eingesehen, dass gutes Management nichts mit blinder Zahlengläubigkeit zu tun hat. Effizienz- und Kostenmanagement haben an Bedeutung verloren. Controller wurden entmachtet. Nicht Produktivität, sondern ständige Qualitäts- und Produktverbesserungen stehen jetzt im Fokus der Aufmerksamkeit. Selbst die Sprache in den Unternehmen hat sich verändert. Verständliche Sätze gelten jetzt als Ausdruck klarer Gedanken. Hohle Phrasen und pseudo-komplizierte Fachausdrücke kommen bei Kollegen, Mitarbeitern und Journalisten nicht mehr gut an.
    Das Geschäft der Unternehmensberatungen ist in den letzten Jahren massiv eingebrochen. Die Branche ist lange nicht mehr so groß wie früher. Die neue Fehlerkultur in den Unternehmen

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