Die kaputte Elite: Ein Schadensbericht aus unseren Chefetagen (German Edition)
Deutschen glauben, dass die Soziale Marktwirtschaft als Wirtschaftsordnung grundlegend verändert werden müsse. 226 40 Prozent sind davon überzeugt, dass es ihnen in einem anderen, stärker vom Staat kontrollierten Wirtschaftssystem persönlich besser oder genauso gut gehen würde. 227 Vielleicht kann die Politik ja vollbringen, was die ökonomischen Eliten selbst nicht schaffen, so die traurige Hoffnung. Dass ein Eingreifen der Obrigkeit immer auch mit einem Verlust der individuellen Freiheit einhergeht, ist für viele nicht mal ein Übel. Gute Zeiten für Populisten. Schlechte Zeiten für liberale Gedanken.
Die Elite hat ein ernsthaftes Imageproblem. Laut einer Allensbach-Studie aus dem Jahr 2009 denkt nur jeder dritte Deutsche, dass Manager einen Blick für Chancen und Entwicklungen haben – 2004 waren es noch mehr als die Hälfte. 228 »Aus den einstigen Rollenvorbildern der Leistungsgesellschaft sind in den Augen der Öffentlichkeit Kriminelle oder zögerliche Versager geworden«, so die bittere Schlussfolgerung des manager magazins. 229
Die Akzeptanz einer freien Wirtschaftsordnung droht zu schwinden, weil das Vertrauen in die Fähigkeiten ihrer Vertreter zu großen Teilen verloren gegangen ist. Das macht mir Angst. Denn Unternehmertum und das Streben nach Glück und Gewinn sind die Basis unseres Wohlstands. Wer die Wirtschaft als Ganzes einzäunen will, dem ist auch die Freiheit des Einzelnen nichts wert. Manager sind die Aushängeschilder unseres Wirtschaftssystems. Ihr Handeln bestimmt dessen Wahrnehmung in der Öffentlichkeit. Sie haben deshalb eine gesellschaftliche Verantwortung über ihr Unternehmen hinaus. In ihrer doppelten – ökonomischen und gesellschaftlichen – Prüfung sind sie gefragt wie selten zuvor.
Mit knapp 30 Jahren bin ich ungefähr so alt wie die Probleme, vor denen wir heute stehen. In den achtziger Jahren ist die Geschäftswelt vom richtigen Weg abgekommen. Shareholder Value setzte sich als falsches Dogma durch. 1987 verkündete der Bösewicht Gordon Gekko im Film Wall Street: »Gier ist gut!« Michael Porter veröffentlichte seine Theorien und degradierte CEO s zu Analysten und Spielern eines großen und globalen Wirtschaftsschachs. Unternehmensberatungen feierten mit ihren falschen Versprechungen immer größere Erfolge. Sie schürten Ängste, machten Management zu einem Fach der angewandten Mathematik und vertrieben schablonenartige Strategien, die die Logik der Führung fundamental veränderten. Business Schools wurden zu Brutstätten der Profitsucht und produzierten immer mehr geklonte Nachwuchstechnokraten.
Als Endzwanziger kann ich mir jedoch noch eine andere, bessere Welt vorstellen. Betrachten wir also eine Wirtschaft, wie es sie so durchaus geben könnte. Begeben wir uns auf eine gedankliche Reise. So könnte die Zukunft aussehen – wenn wir heute etwas ändern.
Traum von neuen Eliten
Das Jahr 2023. Vieles hat sich getan an den Business Schools, nicht nur an der WHU . Die Grundlagen der Lehrpläne wurden erneuert. Den reinen BWL -Abschluss gibt es nicht mehr. Zumindest ein Nebenfach aus den Geistes- oder Sozialwissenschaften ist allerorts zur Pflicht geworden. Allgemeinbildung und die Fähigkeit zur kritischen Reflexion sind zentrale Teile der Ausbildung.
Seminare sind Plattformen wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Diskurse. Ökonomische Theorien werden nicht mehr einfach nur unterrichtet. Diskutieren statt konsumieren lautet nun das Motto. Der offene Wettstreit der Ideen hat Einzug in die Vorlesungsräume gehalten. Das Weltbild der werdenden Wirtschaftswissenschaftler wird schon früh mit anderen Konzepten konfrontiert. In Fallstudien werden nicht nur solche Unternehmen betrachtet, die aus betriebswirtschaftlicher Sicht besonders gut oder schlecht abschneiden, sondern auch Firmen, die sich gesellschaftlich vorbildlich oder rücksichtslos verhalten haben.
Das Management-Studium soll mittlerweile auch der Persönlichkeitsbildung dienen, nicht nur der Berufsvorbereitung. Der Anteil der Mathematik in den Kursen wurde radikal verringert. Auch BWL -Studenten lernen, sich mit längeren Texten auseinanderzusetzen. Klassiker wie Haben oder Sein von Erich Fromm, Das Kapital von Karl Marx oder Theorie der Gerechtigkeit von John Rawls gehören zur Pflichtlektüre für alle. Prüfungen müssen häufig in Form von Aufsätzen bearbeitet werden. Die Fähigkeit, sich in den unterschiedlichsten Denksphären zurechtzufinden, ist zum entscheidenden Erfolgsfaktor
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