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Die Kartause von Parma

Die Kartause von Parma

Titel: Die Kartause von Parma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stendhal
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der Jagd oder in einer Barke auf dem See. Bald war er mit den Kutschern undStallburschen auf vertrautem Fuß. Allesamt eifrige Parteigänger der Franzosen, machten sie sich unverblümt über die kriecherischen Kammerdiener lustig, die dem Marchese oder seinem ältesten Sohne sklavisch ergeben waren. Besonders erregte es ihren Spott, daß sich diese würdevollen Leute nach dem Vorbild ihrer Herrschaft puderten.

Zweites Kapitel
    Nun, da der Abend unser Aug umflort,
Betracht ich zukunftssüchtig die Gestirne,
Durch die uns Gott in Lettern, wohl zu deuten,
Der Kreaturen Los und Schicksal kündet.
Denn der aus Himmelshöhn den Menschen schaut,
Weist ihm aus Mitleid oft den rechten Pfad
In seiner Sternenschrift am Firmament
Und sagt das Glück, das Unglück uns voraus.
Doch wir, am Staube haftend, sündenschwer,
Verachten solche Schrift und sehn sie nicht.
                                                  Ronsard
    [Pierre de Ronsard, einer der Dichter der Plejade
    (sechzehntes Jahrhundert), von seinen Zeitgenossen 
    dem Homer und dem Pindar gleichgesetzt.]
    Der Marchese bekundete einen starken Haß gegen jede Aufklärung. »Die modernen Ideen«, pflegte er zu sagen, »haben Italien ins Verderben gestürzt.« Er wußte nicht recht, wie er diese heilige Scheu vor der Bildung mit dem Wunsch vereinigen sollte, daß sein Sohn Fabrizzio die so glänzend begonnenen Studien bei den Jesuiten vollende. Um die Gefahr möglichst abzuleiten, beauftragte er den braven Abbate Blanio, den Pfarrer von Grianta, den lateinischen Unterricht mit Fabrizzio fortzusetzen. Dazu hätte der Geistliche diese Sprache verstehen müssen; nun war sie aber gerade der Gegenstand seiner Abneigung. Seine Kenntnisse auf diesem Gebiet beschränkten sich auf das Auswendighersagen der Gebete seines Missales, deren Sinn er seinen Pfarrkindern mit knapper Not erklären konnte. Gleichwohl war der Pfarrer nichtweniger geachtet und sogar in seinem Sprengel gefürchtet. Er hatte immer gesagt, daß die berühmteProphezeiung des heiligen Giovita, des Schutzpatrons von Brescia, weder in dreizehn Wochen noch auch in dreizehn Monaten in Erfüllung ginge. War er unter sicheren Freunden, so fügte er hinzu, die Zahl dreizehn sei so zu deuten, daß alle Welt staunen werde, wenn er es aussprechen dürfte. (1813!)
    Tatsächlich war der Abbate Blanio ein Mann von altfränkischer Tugend und Biederkeit und übrigens kein Dummkopf. Nachts hielt er sich mit Vorliebe oben auf seinem Kirchturm auf. Er war nämlich versessen auf Astrologie. Tagsüber pflegte er die Konjunkturen und Stellungen der Gestirne zu berechnen, und manche schöne Nacht verbrachte er damit, sie am Himmel zu verfolgen. Bei seiner Armut hatte er kein anderes Instrument als ein langes Fernrohr aus Pappe. Man kann sich denken, welche Geringschätzung dieser Mann für Sprachstudien hatte, der sein Leben darein setzte, aus den Sternen den genauen Zeitpunkt abzulesen, da große Reiche stürzen und Revolutionen das Antlitz der Welt verändern. »Weiß ich mehr über das Pferd,« sagte er zu Fabrizzio, »wenn man mir beigebracht hat, daß es auf lateinisch equus heißt?« Die Bauern fürchteten den Abbate Blanio als großen Zauberer, und er jagte ihnen durch sein Observatorium auf dem Kirchturm so viel Schrecken ein, daß sie nicht stahlen. Seine Amtsbrüder, die Geistlichen der Umgegend, waren wegen dieser Macht neidisch und verwünschten ihn. Der Marchese del Dongo verachtete ihn schlechtweg, weil er für einen Mann seines niedrigen Standes viel zu gelehrte Dinge im Kopf habe. Fabrizzio schwärmte für ihn; um ihm zu gefallen, verbrachte er mitunter ganze Abende damit, riesenhafte Additions- oder Multiplikationsexempel auszurechnen. Seitdem durfte er mit auf den Kirchturm klettern. Das war eine große Gunst, die der Abbate Blanio noch niemandem zugestanden hatte; aber er liebte den Knaben seiner Unbefangenheit wegen. »Wenn du kein Heuchler wirst,« pflegte er zu ihm zu sagen, »wirst du vielleicht ein Mann.«
    Infolge der Unerschrockenheit und Leidenschaftlichkeit, die Fabrizzio bei allen seinen Belustigungen an den Tag legte, wäre er im Laufe der Jahre mehrmals beinahe im See ertrunken. Bei den Streichen der Bauernjungen von Grianta und Cadenabbia war er der Anführer. Diese Burschen hatten sich verschiedene Nachschlüssel zu verschaffen gewußt, mit denen sie in besonders finsteren Nächten die Schlösser der Ketten zu öffnen trachteten, womit die Barken an großen Steinen oder an

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