Die Katakomben von Acron
1.
Die Finsternis besaß viele Gestalten.
Mythor hastete durch eine nahezu vollkommene Schwärze. Alton hatte er in die Scheide zurückgeschoben, um sich durch das Leuchten des Gläsernen Schwertes nicht zu verraten.
Irgendwo vor ihm erklangen Geräusche, die nur von den Vermummten stammen konnten.
Der Boden war feucht und glitschig, schleimige Moose wuchsen hier. Bleiches Gewürm huschte über den Felsen.
Der unterirdische Gang führte sanft ansteigend in die Höhe. Mehrmals weitete er sich zu kleinen Höhlen. Die Wände waren dann von silbern schimmernder Feuchtigkeit überzogen.
Mythor sorgte sich um seine Freunde, nachdem das Orcht ihnen jenes Gift eingeflößt hatte, das sie zu vertrockneten Mumien machen sollte.
Plötzlich schlug etwas hart gegen seine Beine. Noch im Sturz streckte er die Arme vor und rollte sich ab. Wie von selbst glitt seine Rechte an den Knauf des Gläsernen Schwertes.
Ein schrilles Kichern ertönte. Zwei helle, wäßrige schimmernde Augen starrten den Gorganer aus der Dunkelheit an.
Du mußt weiter! durchfuhr es ihn. Oder willst du die Spur verlieren?
Mit einem tiefen Seufzer brach das Kichern ab.
Mythor warf sich herum, wollte weitereilen… Ein krächzender Laut hallte hinter ihm her. Gleichzeitig schlangen sich biegsame Fesseln um seine Knöchel und brachten ihn erneut zu Fall.
»Orcht«, wurde eine Stimme laut, die kaum noch menschlich zu nennen war. Und wieder dieses irre Gelächter. Mythor hörte leise, schlurfende Schritte auf sich zukommen. Jemand atmete gepreßt.
»Die Zeit ist da, um Rache zu nehmen. Lange habe ich gewartet, aber nun endlich folgst du den Räubern…«
Der Sohn des Kometen fühlte, daß etwas sich langsam an seinen Beinen hochwand. Er zog Alton, dessen Leuchten wie ein Blitz in dieser Finsternis war. Ein erschreckter Aufschrei antwortete ihm. Im gleichen Augenblick zuckte eine Schwertlanze herab, die nur eine Handspanne neben seinem Kopf auf den Boden schmetterte.
Glucksendes Gelächter begleitete den Streich.
»Ich – ich hätte dich töten können. Aber du sollst leiden. Leiden, hörst du? Rede, jammere…!«
Ein schmerzhafter Fußtritt traf Mythor in die Seite. Er wollte mit der Linken zupacken, aber unvermittelt wurde sein Arm zurückgezerrt.
»Gut, mein Freund«, kicherte die Stimme. »Zwinge dieses Biest in deine Gewalt.« Mythor erkannte, daß es Wurzelstränge waren, die nach ihm griffen. Endlich konnte er auch den Fremden sehen – ein altes, verhutzeltes Männchen. Nur mehr Fetzen von Kleidungsstücken hingen an seinem Körper. Doch bodenlanges, schlohweißes Haar und ein langer Bart bedeckten die Blößen.
»Wer bist du?« fragte Mythor.
»Ich…?« Der Mann schüttelte heftig den Kopf und begann erneut zu kichern. »Du kennst mich nicht mehr? Hihi, ist es denn so lange her?«
»Wovon sprichst du?«
Übler Geruch schlug Mythor entgegen. Der Alte klebte vor Schmutz.
»In Sicherheit wiegen willst du mich. Ja, ja, ich weiß, aber du wirst mich nicht bekommen, Orcht.«
Wild fuchtelte der Mann mit den Armen. Daß sein Verstand gelitten hatte, konnte nicht verborgen bleiben. »Du irrst«, sagte Mythor betont langsam. »Auch ich bin ein Feind des Monstrums.«
Der Alte hielt inne und stierte ihn an.
»Du redest nur mit einem Mund, um mich zu täuschen. Aber Gerban läßt sich nicht in die Irre führen. Ich weiß, daß du viele Körper hast, ich habe sie selbst gesehen, gestern, in deiner Höhle. Sie sind scheußlich – einer mehr als der andere, aber ganz besonders abscheulich ist der mit den vielen Köpfen. Hihi, hättest du geglaubt, daß ich dir entfliehen könnte? Sag endlich, gestehe ein, daß ich stärker bin als du. Lange habe ich auf diesen Moment gewartet.«
»Seit gestern?«
»Wer behauptet das? Unzählige Jahre sind vergangen. Du hast mich meine Jugend gekostet, und dafür werde ich dich töten.«
Immer schneller sprudelte es aus Gerban hervor.
»Packt ihn!« kreischte er schließlich. »Zerquetscht ihn.«
Die Umklammerung der Wurzeln wurde stärker.
»Wir sind Verbündete«, rief Mythor. »Auch ich konnte dem Orcht entfliehen.«
»Pah.« Gerban spie aus. »Alles Lüge.« Mit seinen dürren, knochigen Händen, die unter den verfilzten Haaren hervorschossen, schien er einen unsichtbaren Gegner niederzuringen.
Mythor versuchte, sich herumzuwälzen, was ihm aber nicht gelang. Die pflanzlichen Fesseln hielten ihn fest umschlugen. Nur den rechten Arm konnte er noch ein wenig bewegen. Er hob Alton und ließ das Schwert
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