Die Kinder des Saturn
und kein Siedlerschiff könnte sie alle als lebende Fracht befördern. Allerdings kann ein solches Schiff eine Gruppe von Generalisten an den Bestimmungsort bringen – eine Gruppe, der man zutrauen kann, dass sie selbst erkennt, welche Dinge sie nicht aus eigener Kraft bewältigen kann, und die dann die entsprechenden Spezialisten schafft, damit sie sich der Probleme annehmen.
Versteht ihr, worauf ich hinauswill? Die interstellare Besiedlung ist die einfachste Sache der Welt! Man muss dazu nur einen signifikanten Prozentsatz aller Ressourcen, die eine interplanetare Zivilisation besitzt, mehrere Hundert Jahre lang zur Verfügung stellen und den nie ermüdenden, effizienten Händen von Robotern anvertrauen. Sodann befiehlt man den Robotern, sich so lange abzurackern, bis die Umwandlung des Planeten abgeschlossen und das Ziel erreicht ist. Vielleicht stecken hinter dem Aussterben unserer Schöpfer in Wirklichkeit ganz andere Dinge als ein unglückseliger Bevölkerungsschwund, Dekadenz, Ablenkung durch sexuelle Hyperstimuli oder unbewusste Vorsätzlichkeit. Möglich, dass unsere Schöpfer fanden, sie könnten ebenso gut ein Nickerchen machen, während andere in ihrem Auftrag die langweilige und langwierige Eroberung der Galaxie erledigten. Und dass sie sich dabei in der Sicherheit wiegten, die Roboter würden sie schon so rechtzeitig wecken, dass sie als Wiederauferstandene die Früchte dieses Unternehmens ernten könnten.
(Oh, verdammt, ich bin wieder mal abgeschweift.) Sternenschiffe? Darüber muss man nur Folgendes wissen: Wer zu den Sternen fliegt, lässt sich auf eine Reise ohne Wiederkehr ein, deshalb sind Siedler stets Mangelware. Meine Aussichten sind also bestens, sofern ich mich für, oh, schlappe siebenhundert Jahre auf
Bedingungen einlasse, die sich kaum von meiner Reise auf der Ikarus unterscheiden, mir unterwegs spezielle Kenntnisse auf ein bis fünf Fachgebieten aneigne und nach der Ankunft einige Jahrzehnte wie ein Arbeitssklave dafür schufte, mir irgendwo ein Leben aufzubauen. Die Perspektive, gemeinsam mit Reginald durchzubrennen, lässt all das allerdings fast erträglich erscheinen. Denn ob ich wirklich verliebt in ihn bin oder nicht: Zumindest ist man zusammen weniger allein.
denk an england
JULIETTE (NEIN, ICH MUSS SIE weiterhin als Granita betrachten) kehrt erst spät ins Hotel zurück, und zwar in miserabler Stimmung. Nachdem sie einem ihrer Chibi-Bediensteten einen Fußtritt versetzt hat, stürmt sie in ihr Zimmer, flucht laut – gleich darauf taucht Reginald auf, der mitgenommen aussieht – und brüllt: »Kate!«
Das kann ja heiter werden. Ich tänzele zur Tür, reiße sie auf, trete schnell ein und ziehe die Tür hinter mir zu. »Hallo, Juliette.«
Sie funkelt mich an. »Nenn mich nicht so, du Miststück.«
»Würde ich doch im Traum nicht wagen, Schwester.« Ich grinse (genauer gesagt: fletsche die Zähne) und balle die rechte Hand in meinem Rücken zur Faust. »Rhea hat mich zu sich bestellt. Ich denke, das solltest du wissen.«
Jählings verliert ihr Gesicht den ätzend giftigen Ausdruck, und ihre Schultern sacken nach vorn. »Scheiß drauf, Kate. Was hättest denn du an meiner Stelle getan?«
»Das hängt davon ab, ob ich dumm genug gewesen wäre, überhaupt in eine solche Situation zu geraten. Oder dumm genug, einen solchen Fehler zu machen.«
»Welchen Fehler?« Sie zieht eine Augenbraue hoch.
»Nach dem Köder zu schnappen. Oder mir von ihr einen Seelenchip aufdrängen zu lassen. Such dir was aus.«
»Ach, komm schon!« Sie macht sich nicht mal die Mühe, ihre Gereiztheit zu überspielen. »Manche von uns sind nun mal Realisten, Freya. Verhalt dich nicht blöder, als du aussiehst. Spiel mir nur nicht den blauäugigen Unschuldsengel vor. Du weißt, was du
bist, genauso wie du weißt, was ich bin und in was sich unsere dämonische Mutter verwandelt hat. Sie ist hundert Jahre älter als du oder ich, sie ist ungeheuer reich, und wir sind nicht ihre einzigen Werkzeuge. Du hältst unsere Sippe für Versager, stimmt’s? Kannst du dir überhaupt vorstellen, wie viele Fehlschläge auf eine erfolgreich ausgebildete persönliche Assistentin von Rhea kommen?«
»Nein …«
»Na dann herzlichen Glückwunsch«, sagt sie barsch. »Es klappt nur bei einer von zehn Schwestern. Die meisten unserer Sippe rasten wirklich aus und versagen, wenn man sie vor die Wahl stellt, entweder andere zu beherrschen oder zu sterben. Wir sind diejenigen, die das überlebt haben. Und du weißt, für
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