Die Kinder Paxias
Beweis.
„Ich denke, wir haben es gefunden.“
Kaeli folgte dem erhobenen Gesicht der Gelehrten.
Unmittelbar über dem massiven Steinwall, erstreckte sich ein weitläufiges schwarz geschindeltes Spitzdach mit großen lichflutenden Bleiglasfenstern.
In beiden erwachte bei diesem Anblick die Neugierde, wie das Gebäude von vorne aussah.
Ihre Erwartungen und Vorstellungen sollten mehr als bestätigt – übertroffen – werden.
Direkt neben dem Nordtor befand sich eine schmiedeeiserne Pforte, die in einen weitläufigen, umzäunten, wild wachsenden Garten führte.
Beeindruckt betraten die Reisegefährtinnen einen gewundenen, mit verschiedenen Farnen gesäumten Kiesweg, der sie mehr und mehr von der groben Mauer zu ihrer Rechten, zu der erhöhten Veranda des massiven Steinhauses führte, welches wie angekündigt, an der Seite mit der Stadtmauer eine Einheit bildete.
Kaeli hielt einen Augenblick inne, um den alten Baumbestand, der einem kleinen Wald glich, zu bewundern. Eine Art Lichtung war in diesen eingelassen, den ein wunderschöner Pavillon aus unbehandeltem Waldholz zierte.
Auch Sayas erstaunte Aufmerksamkeit galt für wenige Momente dem künstlich angelegten Bachlauf, der in einem mit Seeblüten bewachsenen Naturteich mündete. Eine sorgfältig gestaltete Steinbank inmitten einer Wildblumenwiese stand nah genug, von ihr aus die Aussicht auf diesen genießen zu können.
Zu ihrem Bedauern war der Rest des Gartens an der Rückseite des Gebäudes nicht weiter einsehbar, und sie konzentrierten ihren Fokus wieder auf das stattliche Wohnhaus.
Auch dieses überraschte in seinem Erscheinungsbild.
Hatte die an der Außenmauer sichtbare Wand die Vermutung erweckt, einen düsteren, klobigen Steinklotz zu finden, beseitigte die an den ersten beiden Etagen angebrachte, ausgedehnte Fensterfront diesen Eindruck ohne jeden Zweifel.
Dieser Bau war einst mit unglaublich viel Mühe, Liebe zum Detail und Sorgfalt errichtet worden und strahlte den soliden Wohlstand der Bewohner wider.
Mit gemessenen Schritten überwand Kaeli die Stufen der Veranda zur doppelflügeligen Haustür. Sie tauschte einen kurzen bestätigenden Blick mit Saya, die ein wenig versteckt, wachsam Position bezogen hatte und betätigte den schweren Türklopfer in Form eines Blattes.
Das Bleiglas an dieser Tür war gefärbt und stellte ein kunstvolles Mosaik einer Festung inmitten eines Waldes dar, so dass sie das Innere nur schemenhaft erkennen konnte.
„Wahrscheinlich ist der Vorsteher bereits auf der Versammlung“, bemerkte Kaeli ein wenig enttäuscht, als keine Reaktion erfolgte und wandte sich Saya hilflos schulterzuckend zu.
„Wahrscheinlich“, gab ihr Saya ungerührt recht, bewegte sich jedoch nicht von der Stelle. „Wahrscheinlich lebt er aber auch nicht allein.
Ich habe mittlerweile einige Beobachtungen gemacht, die sich auf die starke Paarbildungstendenz und Familiengründungsbedürfnisse der Bewohner dieser Welt beziehen.“
Die Wortwahl der Gelehrten belustigte Kaeli. Fröhlich lachte sie auf und wiederholte, Mut fassend, ihr erstes zaghaftes Klopfen mit deutlichem Nachdruck.
Beide vernahmen gleichzeitig die nähernden Schritte. Eine schmale Silhouette schob sich ins Zentrum des Mosaiks.
„Ja?“, Augen strahlenden Blaus musterten Kaeli aufmerksam fragend.
„Kann ich Euch helfen?“
Sprachlos starrte das Mädchen die Erscheinung mit der weichen Stimme an der Tür an.
In der Blüte der Schönheit. Diese Frau mit dem feingeschnittenen Gesicht, dem reinen Profil in Verbindung mit ihrer gerade Nase, dem filigran gezeichneten Mund und diesen unglaublich langen, dunklen Wimpern machte diesen Begriff zur Perfektion.
Ihre dunkelbraunen Haare, die sie so hochgesteckt trug, dass sie ihr lockig über den Rücken fielen, mussten ihr mindestens bis zur schmalen Taille reichen. Auch in der zart gebräunten Haut fand Kaeli keinen Makel.
Ihre Statur war vergleichbar mit Sayas, und ihre Kleidung unterschied sich von den anderen Stadtbewohnern in Form, Farbe und Material derart grundsätzlich, dass Kaeli einen kurzen Moment glaubte, einem weiteren Sagenwesen gegenüberzustehen.
Über einem grauen Faltenrock trug sie ein an der Seite spitz zulaufendes, tiefblaues Überkleid, welches den Schulteransatz freiließ und an den Ärmeln, unterhalb der Ellbogen, in kleinen Volants endete. Der graue Ledergürtel war, genau wie die ungewöhnlichen Armschoner und das Band, das sich am breiten Ausschnitt von einer Schulter zur anderen zog, mit silbernen
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