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Die Kreuzweg-Legende

Die Kreuzweg-Legende

Titel: Die Kreuzweg-Legende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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Der steife Nordostwind schüttelte das Laub der Bäume. Am Himmel wurden die Wolken vorangepeitscht, prallten gegeneinander, zerfetzten, bildeten neue, gewaltige Berge, die, vom Wind erfaßt, wie drohende Todesboten über das Land hinwegstrichen und den Gestirnen ihr kaltes Licht nahmen.
    Man ahnte bereits den nahen Winter, denn der Wind war kalt geworden, und die Blätter an den Bäumen hatten sich schon stark verfärbt. Auch die Menschen duckten sich unter dem wilden Herbststurm. Sie verkrochen sich in ihren Hütten und schlossen die Fensterläden, denn draußen hatte die Natur ihre Geister entlassen.
    Leer waren die Wege.
    Kein Reiter, keine Kutsche und kein Fuhrwerk waren mehr unterwegs. Dunkelheit, Sturm und Wolken bildeten ein Trio, das für die Menschen feindlich war.
    Die Bäume stöhnten über die Gewalt des Windes. Ihre Zweige wurden dem Erdboden entgegengebogen, und selbst starke Äste hatten Mühe, dem Toben der Natur zu widerstehen.
    Es war ein Wetter für Geister und Dämonen, sagten manche Und jagten anderen damit Angst ein.
    Noch kam kein Regen. So konnte der Wind den Staub hochwirbeln und in langen, nie enden wollenden Fahnen vor sich her treiben. Viele wußten auch, daß es die Zeit des unheimlichen Reiters war. Bei diesem Wetter ritt er los, um sich die Schönen aus den Dörfern zu rauben und sie in die Tiefen der Hölle zu holen. Dort erwartete sie Angst, Grauen und Qualen.
    Die Furcht ging um.
    Sie war wie ein Gespenst, das seinen Weg in die einsamen Dörfer und Gehöfte gefunden hatte. Wie eine riesige Hand krallte sie sich in den Seelen der Menschen fest, ließ die Leute zittern, beben und beten. In diesen Nächten half nur mehr die Heilige Mutter Gottes. Als normaler Mensch war man verloren.
    Mütter hielten ihre Töchter zurück, denn sie hörten den Ruf des unheimlichen Reiters. Er drang in ihre Köpfe, er war eine Verlockung, ein Blendwerk des Satans, und das Erwachen war grausamer, als man es sich in den schlimmsten Alpträumen vorstellen konnte. Alles Beten und Festhalten hatte keinen Sinn. Wen der Ruf erreichte, der erhörte ihn auch.
    So auch die junge Wanda, die in ihrer Dachstube hockte und aus dem Fenster schaute.
    Sie hatte eine brennende Kerze auf die innere Fensterbank gestellt und schaute zu, wie sich das zuckende Licht der kleinen Flamme in der Scheibe spiegelte. Dort bildete es einen großen Fleck, der an seinen Rändern ausfaserte und dem Mädchen wie ein Gesicht erschien. Ja, es war ein Gesicht!
    Im ersten Augenblick erschrak Wanda. Sie starrte in die Scheibe, sah das Gesicht des Fremden darin und preßte beide Hände gegen ihren allzu stark entwickelten Busen.
    Er rief sie!
    Nur sie!
    Ihr rundes Gesicht überzog sich mit einer hektischen Röte, die sich besonders auf die Wangen konzentrierte und dort dicke Flecken bildete. Fieberschauer jagten durch ihren Körper. Die vollen Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. Wan-das Augen begannen zu leuchten, und sie fühlte ihr Herz pumpenartig schlagen.
    Der Reiter hatte sie erwählt!
    Sehr deutlich spürte sie diese Botschaft, und ebenso deutlich erinnerte sie sich an die Warnungen. Die Mutter hatte ihr bei ihrem achtzehnten Geburtstag von dem unheimlichen Reiter erzählt, der junge Mädchen mit in sein Reich nahm und ihnen Schreckliches antat.
    Konnte Liebe so schrecklich sein?
    Wanda wollte es nicht glauben, denn das, was durch ihren Körper raste, schleuderte, die Adern bewegte, den Lauf des Blutes beschleunigte und den Lebenssaft zum Kochen brachte, war ein Gefühl, wie sie es schöner und herrlicher nicht erlebt hatte.
    Die süße Liebe…
    Sie hatte den Reiter nie gesehen, aber aus der Ferne spürte sie sein Locken. Wanda glaubte, seine Stimme genau zu hören. So ruhig, so einfühlsam, und sie dachte daran, welche Wonnen er ihr in der folgenden Nacht bereiten würde, wenn er sie zur Frau machte. Auch die Warnungen fielen ihr ein. Plötzlich lachte sie darüber. Nein, die Eltern hatten nur Angst, daß ihnen die Tochter nicht mehr völlig gehörte. Und das wollte sie auch nicht. Dieser fremde, unheimliche Reiter zog sie magisch an.
    Sie mußte weg!
    Das kleine Haus duckte sich unter dem Sturm. Er heulte um die Ecken, ließ die Fensterläden klappern und schüttelte die Zweige der Obstbäume im Garten.
    Wenn sie jetzt verschwand, würden ihre Eltern es überhaupt nicht bemerken.
    Über Wandas Gesicht glitt ein Lächeln. Es vertiefte sich noch mehr, als beim ersten Kontakt mit dem noch Unsichtbaren. Sie stellte die Kerze zur

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