Die Lava
war seitdem so untypisch stumm geblieben.
»Wie sah er aus, der Teufel?« Franziska hoffte, der Furcht ihrer Tochter so besser auf die Spur zu kommen.
»Der hatte … der war … das war so eine ganz große Blase, ganz gelb, und dann ist die aus dem Wasser gekommen und hat gebrüllt, und dann hat es gestunken wie Streichhölzer, wenn man die ausbläst.«
»Das war eine Blase?«
»Das war der Teufel, wo den Wassermann immer ärgert.«
Jetzt dämmerte es Franziska. Clara hatte ein Kinderbuch: die Geschichte des kleinen Wassermanns, eines grünen Gnoms mit Entenfüßen und roten Wuschelhaaren, der in seinem Teich ganz gemütlich lebte, bis der böse Teufel kam und ihm mit großen Wasserblasen ärgerte. Der kleine Wassermann und sein bester Freund, Gerald der Goldfisch, vertrieben dann gemeinsam den bösen Kerl. So also war Clara auf den Teufel gekommen!
»Wenn Mama bei dir ist, hast du dann auch Angst vor dem Teufel?«
»Wenn du da bist«, meinte Clara und schmiegte sich eng an Franziska, »kann mir der Teufel nichts tun.«
»Weißt du was? Dann gehst du wieder in dein Bett, und ich wache hier und passe auf, dass der Teufel nicht noch einmal kommt!«
Clara nickte. Sie konnte die Augen ohnehin kaum noch offen halten.
»Wenn wir morgen an den See gehen, zeigst du mir die Stelle, wo der Teufel herausgekrochen ist?«
Clara biss die Lippen zusammen und nickte stumm. Mit Mama war das wohl halb so schlimm. Trotzdem: »Was mache ich denn, wenn der Teufel wiederkommt?«
»Der kommt nicht wieder, mein Schatz. Glaub mir! Was du da gesehen hast, Clara, war sicher kein Teufel. Den Teufel gibt es gar nicht, und wenn doch, ganz sicher nicht in unserem See«, sprach Franziska beruhigend auf ihre Tochter ein. »Ich muss das wissen, ich werde dafür bezahlt, dass ich alles über den See weiß.«
Clara schaute sie jetzt beruhigt an.
»Das war sehr wahrscheinlich bloß eine große Luftblase.«
Nur: Für Franziska stellte eine riesige, stinkende Gasblase eine weitaus größere Gefahr dar als ein Wasserteufel.
»Wirst du mir morgen zeigen, wo du die Blase gesehen hast?«
Clara nickte.
Unter Reginald MacGinnis’ wachsamen Augen kniete Joe Hutter vor der Pilotenkanzel. Die Anstrengung war ihm deutlich anzusehen, konzentriert verzog er das Gesicht. Er durfte keine Fehler machen. Das heftige Erdbeben der letzten Nacht saß ihm noch in den Knochen. Langsam und vorsichtig, immer wieder kurz innehaltend, hebelte Joe Hutter die Metallplatte ab, die den Bombenschacht vom Gang trennte. Dieses Mal hatte er Glück: Es befanden sich noch alle Bomben in ihren Verankerungen, die Mannschaft hatte sie nicht abgeworfen, bevor sie in den See gestürzt war.
Eine der Griffzangen bewegte sich, öffnete sich – er musste beim Aufhebeln unabsichtlich einen Kurzschluss oder sonst etwas in der Elektronik ausgelöst haben. Eine der Bomben senkte sich, löste sich dann aus ihrer Verankerung und fiel sanft auf den Boden des Schachts.
Joe öffnete erstaunt den Mund. Er konnte das Unglück nicht mehr aufhalten. Die Bombe erzeugte zuerst ein metallisches Geräusch, dann detonierte sie. Ein rotes Licht blinkte hektisch. Das war das Ende der Welt.
Hutter schlug enttäuscht mit der Faust auf den Boden und wischte sich dann den Schweiß aus der Stirn. Er kauerte vor seinem Computerbildschirm und kämpfte sich durch eine simulierte Darstellung des Flugzeugrumpfs in verschiedenen Helligkeitsstufen, von grell über düster bis zu fast finster. Niemand wusste, welche Lichtverhältnisse dort unten vorherrschten, wie tief das Flugzeug in den Schlamm auf dem Seegrund gesunken sein mochte. Joe tastete sich virtuell durch das Wrack, prüfte die Ausstiegstüren, näherte sich den Kisten, die eventuell im Gang standen, untersuchte Risse in der Außenhaut, lernte, die Eingänge zu der Bombenkammer zu identifizieren und zu öffnen. Jede Simulation veränderte die Parameter. Mal schaffte er es, mal nicht. Dieses Mal hatte er es nicht geschafft. Wieder nicht.
In der Realität, später, am echten Wrack, durfte er auf keinen Fall versagen.
Joe Hutter mochte es nicht, in der vordersten Reihe zu stehen, er blieb lieber unnahbar im Hintergrund. An der Universität war er einer der besten in seinem Fach, der Biochemie, gewesen, und deshalb hatten ihn Reginald MacGinnis’ Männer angesprochen. Es handelte sich um sein drittes Projekt mit MacGinnis als Chef; er kannte mittlerweile dessen Ecken und Kanten. Hutter tauchte hervorragend, diese besondere Qualifikation
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