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Die Lebensfreude

Die Lebensfreude

Titel: Die Lebensfreude Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola
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Es ist lange genug her, daß ich sie nicht gesehen habe... Und du läßt Paul da einschlafen?«
    »Ja, ja, die frische Luft wird ihm gut tun.«
    Sie hockte auf eine Ecke der Decke nieder und betrachtete ihn, wie er dalag in seinem weißen Kleidchen, aus dem die nackten Beine und Arme schauten. Mit geschlossenen Augen hatte er sein kleines, rosiges und unbewegliches Gesicht dem Himmel zugewandt.
    »Es ist wahr, er ist sofort eingeschlafen«, flüsterte sie. »Er ist vom Umhertrudeln müde. Passe auf, daß ihn die Tiere nicht belästigen.«
    Sie drohte mit dem Finger Minouche, die auf dem Fenster des Eßzimmers große Toilette machte. Loulou, der in seiner ganzen Länge ausgestreckt abseits im Sande lag, öffnete von Zeit zu Zeit mißtrauisch ein Auge, immer bereit zu knurren und zu beißen.
    Als Pauline aufstand, stieß Chanteau einen leisen Klageton aus.
    »Kommt es wieder?«
    »Ja, es kommt wieder; das heißt, es verläßt mich nicht mehr... Ich habe gestöhnt, nicht wahr? Ist das drollig! Ich bemerkte es sogar nicht mehr.«
    Er war zu einem Gegenstande fürchterlichen Mitleids geworden. Nach und nach hatte die chronische Gicht in allen seinen Gelenken Kreide angehäuft, ungeheure Sandsteingeschwulste hatten sich geformt und durchbrachen die Haut mit ihren weißlichen Auswüchsen. Seine Füße, die man nicht sah, steckten in großen Stiefeln und zogen sich wie die Pfoten eines kranken Vogels in sich selbst zusammen. Aber die Hände trugen ihre entsetzliche Unförmigkeit zur Schau; an jedem Gliede waren rote, glänzende Knoten geschwollen; die Finger waren durch die sie trennende Dicke gekrümmt, beide Hände wie von unten nach oben gekehrt, besonders die linke, die eine Verhärtung von der Größe eines kleinen Eies geradezu abschreckend machte. An dem Ellbogen der nämlichen Seite hatte eine stärkere Ansammlung ein Geschwür erzeugt. Eine vollkommene Steifheit der Gelenke war jetzt eingetreten, er konnte sich weder der Füße noch der Hände bedienen und die einzelnen, noch halbwegs fügsamen Gelenke krachten, als schüttele man einen Sack Billardkugeln. Auf die Länge schien selbst sein Körper sich in der Lage versteinert zu haben, die er angenommen, um das Leiden besser zu ertragen, vornüber gebeugt mit einer starken Neigung nach rechts; er hatte ganz die Gestalt des Lehnstuhls angenommen und blieb sogar krumm und zusammengezogen, wenn man ihn schlafen legte. Der Schmerz verließ ihn nicht mehr; bei dem geringsten Witterungswechsel, nach einem Fingerhut voll Wein oder einem Bissen Fleisch über die strenge Vorschrift hinaus stellte sich die Entzündung ein.
    »Eine Tasse Milch würde dich vielleicht erfrischen?«
    »Ach, ja, Milch!« antwortete er zwischen zwei Seufzern. »Auch so eine schöne Erfindung, ihre Milchkur. Ich glaube, sie haben mir den Rest damit gegeben... Nein, nein; nichts, das bekommt mir am besten.«
    Er bat sie dennoch, ihm das linke Bein anders zu legen, denn er allein konnte es nicht vom Platze bewegen.
    »Das vertrackte Ding von Bein brennt heute. Schiebe es weiter! Gut so, danke... Was für ein herrlicher Tag! Ach, mein Gott! Ach, mein Gott!«
    Die Augen auf den unendlichen Horizont gerichtet, fuhr er fort zu seufzen, ohne sich dessen bewußt zu sein. Sein Schmerzensschrei war jetzt zugleich sein Atem. In ein Gewand von dickem blauen Molleton gekleidet, in dessen weiten Falten seine Wurzeln gleichenden Glieder verschwanden, ließ er seine ungestalten Hände auf den Knien ruhen; im hellen Sonnenlichte boten sie einen jämmerlichen Anblick. Das Meer interessierte ihn, dieses unendliche Blau, auf dem weiße Segel dahinglitten, dieser grenzenlose Pfad, der offen vor ihm dalag, vor ihm, der nicht mehr fähig war, einen Fuß vor den andern zu setzen.
    Pauline, welche die nackten Beine des kleinen Paul besorgt machten, war von neuem niedergekniet, um einen Zipfel der Decke über sie zu schlagen. Während drei Monate hatte sie stets am folgenden Montag abreisen wollen. Aber die schwachen Hände des Kindes hielten sie mit unbesiegbarer Kraft zurück. Im ersten Monate hatte man jeden Morgen gefürchtet, ihn am Abend nicht mehr lebend zu sehen. Sie allein begann von neuem das Wunder, ihn jeden Augenblick zu retten, denn die Mutter lag damals noch zu Bett und die Amme, die man hatte nehmen müssen, gab einfach mit der gefügigen Dummheit einer Färse ihre Milch. Es war ein fortwährendes Sorgen, die Temperatur wurde überwacht, das Leben von Stunde zu Stunde gehegt und gepflegt; kurz, Pauline

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