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Die Leidenschaft des Cervantes

Die Leidenschaft des Cervantes

Titel: Die Leidenschaft des Cervantes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaime Manrique
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Felder von Gold. Und mein Entzücken wurde zu Freude, als die Berge der Sierra Morena im Westen der Stadt vor meinen Augen die weichen Formen einer üppigen Odaliske annahmen, die im Serail nackt auf einem Teppich liegt.
    Aber Trauer füllte mein Herz, als ich mich entsann, dass im Jahr zuvor die maurische Bevölkerung Andalusiens aus Protest gegen die Behandlung, die ihr in Spanien widerfuhr, den Aufstand in den Alpujarras begonnen hatte. Jetzt kämpften sie verzweifelt in den Bergen bei Cádiz und Málaga. Wenn Abu, mein Freund aus Kindertagen, noch lebte, stand er zweifellos auf der Seite der Rebellen. Und seine Schwester Leyla, in die ich mich als Junge verliebt hatte, musste inzwischen wohl verheiratet und Mutter sein.
    Dieses Mal jedoch zog Maese Pedros Truppe an Córdoba vorbei, denn meine beste Aussicht, der Justiz zu entgehen, bestand darin, sobald wie möglich Sevilla zu erreichen und dort in den Massen unterzutauchen. Schweren Herzens also musste ich die Stadt der alten Paläste und großen Moscheen hinter mir lassen, den Hof der Umayyaden, die Stadt, in der ich zum ersten Mal eine größere Anzahl von Mauren gesehen hatte.
    Zwei Tage später hatten wir unser Lager vor Sevilla aufgeschlagen. Seit meine Familie und ich die Stadt in Schande verlassen hatten, waren vier Jahre vergangen. Jetzt kehrte ich als Flüchtiger dorthin zurück.
    Trauer gepaart mit Freude, Angst gepaart mit Hoffnung füllten meine Brust, als wir an jenem ersten Abend unser Lager errichteten. Hatte der Büttel Sevilla womöglich vor uns erreicht? Wenn ich an meine zerstörte Zukunft dachte, übermannte mich Verzweiflung. Ohne rechte Hand wäre es sinnlos, nach Westindien zu fahren. Ohne rechte Hand wäre es mir unmöglich, die höchsten Berge der Anden zu besteigen und den Schatz von Eldorado zu finden, durch den ich zum reichsten Mann der Christenheit würde. Ohne rechte Hand könnte ich ebenso gut zu Tode gepeitscht oder auf dem Scheiterhaufen verbrannt werden. Wie sehr wünschte ich mir, es gäbe einen Zauber, durch den ich zu einem neuen Menschen würde, so, wie Schauspieler zu anderen Figuren werden. Dann hätte ich mich dafür entschieden, wieder ein junger Mann mit unbefleckter Vergangenheit zu sein, und wäre in Sevilla geblieben.
    Mein innerer Aufruhr legte sich ein wenig, wenn ich daran dachte, dass dies kein Traum und ich wieder in Sevilla war, der Stadt der Wunder. Auch wenn die Gefahr bestand, dass ich gefasst würde, war ich glücklich, wieder an dem Ort zu sein, dem ich meine Berufung zum Dichter verdankte. So gut mir Maese Pedros Truppe in Córdoba gefallen hatte, die Schauspieler der Bühne Sevillas waren ohnegleichen, und die pasos und Stücke, die sie darboten, waren von überwältigender Schönheit und stammten aus der Feder unserer großen Dichter. Die Meisterschaft dieser fantastischen Künstler zog mich in ihren Bann. Mich kümmerte es nicht, dass die Schauspieler in ebenso schlechtem Ruf standen wie die Zigeuner, dass das Theater für die meisten Menschen etwas war, an dem man sich zwar erfreuen konnte, dem man aber auch misstrauen musste, weil es angeblich zu einem lasterhaften Lebenswandel verführte. Mein Lieblingsdramatiker war Lope de Rueda, dessen Figuren – schwatzhafte Barbiere, unzüchtige Priester, knauserige Hidalgos , leichtlebige Studenten, Spitzbuben, lasterhafte Huren – lebendiger und interessanter waren als ihre Entsprechungen im wahren Leben. Für mich gab es kein würdigeres Ziel, als solche Charaktere zu erfinden. Ich versuchte mir vorzustellen, welche Macht Lope de Rueda empfunden haben mochte, als er, ausgehend von der Beobachtung seiner Mitmenschen, derartige Gestalten schuf. Ich wünschte mir den Ruhm und den materiellen Lohn der erfolgreichen Komödienschreiber, die von den Sevillanos an Straßenkreuzungen mit »Sieger! Sieger!«-Rufen begrüßt wurden.
    Jahre später machte ich mich in meiner Exemplarischen Novelle »Das Zwiegespräch der Hunde« durch die Schnauzen zweier redebegabter Hunde, Cipión und Berganza, über Sevilla und ihre Bewohner lustig. »Sevilla«, sagt Berganza da, »der Schutz der Armen und die Zufluchtsstätte der Ausgestoßenen, denn in der Weite dieser Stadt haben nicht nur die Kleinen Platz, sondern die Großen verschwinden darin.«
    In der ersten Nacht, als wir vor den Toren der Stadt lagerten, ließ die Ungewissheit meiner Zukunft mich nicht schlafen. Ich schaute in den Sternenhimmel und erinnerte mich an den Duft der stets blühenden Orangenbäume, der

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