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Die letzte Kolonie

Titel: Die letzte Kolonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Scalzi
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irdischen Mondes, ist aber etwas näher, sodass er am Himmel genauso viel Platz beansprucht wie dieser. Der zweite Mond ist ein eingefangener Asteroid, der wesentlich kleiner ist und den Planeten auf einer viel engeren Umlaufbahn umkreist. Der Orbit ist instabil, was heißt, dass der Felsbrocken irgendwann auf den Planeten krachen wird. Nach den aktuellsten Schätzungen wird das in etwa einer Viertelmillion Jahren passieren. Also machen sich die Bewohner deswegen im Moment keine allzu großen Sorgen.

    Diese Welt wurde vor fast fünfundsiebzig Jahren von Menschen besiedelt. Vorher hatten die Ealan dort eine Kolonie, aber das fand die Koloniale Union nicht richtig. Dann überprüften die Ealan noch einmal die Mathematik dieser Gleichung, wie man sagen könnte, und es dauerte ein paar weitere Jahre, bis die Angelegenheit geklärt war. Danach gab die Koloniale Union den Planeten für Kolonisten von der Erde frei, die in diesem Fall hauptsächlich aus Indien kamen. Sie trafen in mehreren Schüben ein, der erste, nachdem man die Welt den Ealan entrissen hatte, und der zweite kurz nach dem Subkontinentalen Krieg auf der Erde, als die von den Besatzern unterstützte Übergangsregierung die prominentesten Anhänger des Chowdhury-Regimes vor die Wahl zwischen Auswanderung oder Inhaftierung stellte. Die meisten gingen ins Exil und nahmen ihre Familien mit. Diese Leute hatten eher nicht von den Sternen geträumt, sondern waren gezwungen worden zu gehen.
    Wenn man die Menschen betrachtet, die auf dem Planeten leben, könnte man auf die Idee kommen, dass er einen Namen hat, der ihre Herkunft widerspiegelt. Aber mit dieser Idee liegt man völlig daneben. Der Planet heißt Huckleberry, ein Name, den sich zweifellos irgendein Apparatschik der Kolonialen Union mit einer Vorliebe für Mark Twain ausgedacht hat. Der größere Mond von Huckleberry heißt Sawyer, der kleinere Becky. Die drei Hauptkontinente heißen Samuel, Langhorne und Clemens. Von Clemens geht eine lange, gebogene Kette aus Vulkaninseln aus, die als das Livy-Archipel bekannt ist und im Calaveras-Ozean liegt. Viele weitere wichtige geografische Formationen tragen twainianische Bezeichnungen, die aus der Zeit vor der Ankunft der ersten Siedler stammen, doch die Bewohner scheinen es mit Fassung zu tragen.

    Stellen Sie sich nun vor, Sie würden mit mir auf diesem Planeten stehen. Blicken Sie in den Himmel, in Richtung des Sternbildes Lotus. Dort gibt es einen gelben Stern, ähnlich wie der, um den dieser Planet kreist, und ganz in der Nähe dieses Sterns wurde ich geboren, vor zwei Lebensaltern. Von hier aus ist dieser Stern für das unbewaffnete Auge unsichtbar, und genauso kommt mir häufig auch das Leben vor, das ich dort geführt habe.
    Mein Name ist John Perry. Ich bin achtundachtzig Jahre alt. Inzwischen lebe ich seit fast acht Jahren auf diesem Planeten, der zu meiner neuen Heimat geworden ist, zusammen mit meiner Frau und meiner Adoptivtochter.
    Willkommen auf Huckleberry. In dieser Geschichte wird es die nächste Welt sein, die ich hinter mir lasse. Aber nicht die letzte.

    Die Geschichte, wie ich Huckleberry verlassen habe, beginnt – wie alle bemerkenswerten Geschichten – mit einer Ziege.
    Savitri Guntupalli, meine Assistentin, blickte nicht einmal von ihrem Buch auf, als ich vom Mittagessen zurückkam. »In Ihrem Büro ist eine Ziege«, sagte sie.
    »Hmmm«, machte ich. »Ich dachte, dagegen hätten wir ein Spray benutzt.«
    Das brachte mir einen kurzen Blick ein, was ich mir als großen Triumph auf die Fahnen schreiben konnte. »Sie hat die Chengelpet-Brüder mitgebracht«, sagte Savitri.
    »Mist«, sagte ich. Die letzten zwei Brüder, die sich so heftig wie die Chengelpet-Brüder gestritten hatten, wurden Kain und Abel genannt, und zumindest einer von ihnen war schließlich handgreiflich geworden. »Ich dachte, ich hätte Ihnen gesagt,
dass Sie die beiden nicht in mein Büro lassen sollen, wenn ich nicht da bin.«
    »So etwas haben Sie nie gesagt«, erwiderte Savitri.
    »Dann möchte ich daraus einen Dauerbefehl machen.«
    »Und selbst wenn Sie es gesagt hätten«, fuhr Savitri fort und legte ihr Buch auf den Tisch, »würde es voraussetzen, dass die Chengelpet-Brüder auf mich hören, was keiner von beiden tut. Aftab marschierte als Erster mit der Ziege herein, und Nissim kam im nächsten Augenblick hinterher. Keiner hat mich auch nur eines flüchtigen Blickes gewürdigt.«
    »Ich möchte mich nicht mit den Chengelpets auseinandersetzen«, sagte ich.

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