0236 - Ich ging in die Höhle des Löwen
Jeder Cop hatte das Recht, mich zu erschießen, wenn ich ihm in die Finger lief.
Ich durfte keinen Fehler machen, sonst war ich ein toter Mann. Das Gesetz stand gegen mich.
Ich plante einen Bankraub. Zur Zeit war ich dabei, diesen in allen Einzelheiten vorzubereiten. Das war auch der Grund für meine Anwesenheit in Charlesville.
Charlesville ist nicht mehr als ein elendes, lausiges Nest und dazu der Ort in den Vereinigten Staaten, der seit einem Jahr einen Rekord hielt. In Charlesville geschahen in den letzten zwölf Monaten, im Verhältnis zu der Bevölkerungszahl, die meisten schweren Verbrechen.
Natürlich besaß die Stadt eine Bank. Das Unternehmen nannte sich stolz »Alte Carolina-Bank«.
Die Bank war die Ursache, daß ich mich seit drei Wochen in Charlesville befand. Tag für Tag saß ich an einem Fenstertisch des Drugstores in der Washington Street, rührte in meiner Kaffeetasse und starrte über die Straße zur Bank hinüber.
Nachmittags und abends stand ich in einer Haustürnische und beobachtete, was in der Bank vorging.
Bald kannte ich alle Gewohnheiten der Angestellten, kannte den Ablauf der Arbeitszeit, wußte, daß der Hauptkassierer zum Frühstück Milch trank und daß die einzige weibliche Angestellte pünktlich zehn Minuten vor fünf Uhr anfing, sich die Lippen frisch zu schminken. In diesen drei Wochen hatte ich die Bank etwa ein dutzendmal unter irgendeinem Vorwand betreten. Ich besaß sogar ein kleines Konto bei ihr, das auf den Namen Less Harrigan lautete.
Heute, an einem Montag, hielt ich den Augenblick für gekommen, der »Alten Carolina-Bank« meinen letzten und entscheidenden Besuch abzustatten.
***
Mein Wagen stammte aus den Beständen eines Mietwagenunternehmens. Ich hatte ihn in hundert Yard Entfernung von der Bank geparkt. Es war neun Uhr morgens. Ich wartete seit acht Uhr an dieser Stelle.
Wie an jedem Morgen kam als erster der Buchhalter der Bank. Er schloß das Gitter vor der Eingangstür auf und schob es zurück. Dann öffnete er die Milchglastür und verschwand im Inneren.
Drei Minuten später tauchten die weibliche Angestellte und der junge Clerk auf. Sie kanien immer zusammen, und ich nahm an, daß sie miteinander befreundet waren.
Ich wußte, es würde jetzt noch fünf Minuten dauern, bis der Hauptkassierer erschien, der den Schlüssel zum kleinen Tresor des Schalterraumes in der Tasche trug.
Nur am Montagmorgen lohnte es sich, denn nur zu dieser Zeit enthielt der kleine Tresor eine Summe, die ein Risiko wert war. Am Sonntag öffnete die Bank ihre Schalter von zehn bis zwölf Uhr, um die Einzahlungen der Charlesviller Bar-, Drugstore- und Show-Theaterbesitzer entgegenzunehmen. Jeder, der wußte, in welches Sündenbabel sich diese Stadt am Wochenende verwandelte, konnte sich ausrechnen, daß die Einzahlungen aus den Erträgen einer Weekend-Nacht eine beträchtliche Summe ausmachen mußten. Das Geld wurde nicht in den großen Kellertresor gebracht, sondern es blieb bis zum Montag in dem Geldschrank der Schalterhalle, einem simplen, altmodischen Ding.
Ich startete den Wagen, fuhr ihn an der Bank vorbei und bog in die nächste Querstraße ein. Ich zog den Hut noch etwas tiefer in die Stirn, rückte die große Sonnenbrille zurecht, nahm die Aktentasche und ging zur Bank.
Der junge Clerk half dem Girl gerade aus dem Mantel, der Buchhalter kramte in der Schublade seines Schreibtisches.
Ich nahm die schwere Pistole aus der Manteltasche.
»Guten Morgen«, sagte ich. »Bewegen Sie sich nicht. Der Tag ist zu schön, um zu sterben.«
Die drei Bankangestellten standen wie angenagelt.
Ich zog mich bis zur Tür zurück. In höchstens zwei Minuten mußte der Hauptkassierer kommen. Der Tresor, auf den ich es abgesehen hatte, stand zehn Schritte von mir entfernt und zwischen ihm und mir befand sich nur die Barriere, die den Schalterraum teilte. Die »Alte Carolina-Bank« war eben ‘ne alte Bank. Man hätte jederzeit ’ne Bankraubszene für einen Wildwestfilm darin drehen können.
Die Tür wurde aufgestoßen. Der Kassierer, ein grauhaariger, kurzsichtiger Mann kam herein. »Guten Morgen«, sagte er. Dann erkannte er trotz seiner Kurzsichtigkeit die Kanone in meiner Hand, und er vergaß, den Mund zuzuklappen.
»Schließ den Tresor auf!« befahl ich. »Rasch!«
Ein Rippenstoß mit dem Pistolenlauf unterstützte die Aufforderung. Er trottete hinter die Barriere zum Geldschrank.
»Denk an deine Familie! Schließ auf!«
Mit zitternden Fingern kramte er ein Schlüsselbund aus
Weitere Kostenlose Bücher