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Die letzte Nacht der Unschuld

Die letzte Nacht der Unschuld

Titel: Die letzte Nacht der Unschuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: India Grey
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so aufgeregt habe, dass er sich nicht auf den Verkehr konzentrieren konnte.“
    „Der andere Fahrer war schuld, Mum“, sagte Colleen milde. „Das hat die Polizei rekonstruiert, so stand es im Bericht.“
    „Ich weiß. Trotzdem … ich kann mir nicht vergeben, dass ich ihm an diesem Tag nicht gesagt habe, wie sehr ich ihn liebe. Man merkt erst, wie wertvoll und selten die Liebe zu einem anderen Menschen ist, wenn dieser Mensch nicht mehr da ist.“ Margaret schüttelte den Kopf. „Alles andere … das sind nur unwichtige Details.“
    „Oh Mum.“ Colleen seufzte. Sie hatte vor Cristianos Poster gestanden und sein Gesicht angeschaut, während sie ihrer Mutter zugehört hatte. Und plötzlich war ihr alles klar.
    „Mum, könntest du übers Wochenende auf Alexander aufpassen?“, fragte sie jäh.
    Margaret stutzte etwas überrascht, dann lächelte sie. „Ja, natürlich. Du weißt doch, wie gern ich ihn um mich habe. Was hast du denn vor?“
    „Ich glaube … ich fliege nach Bahrain.“
    Cristiano hielt den Blick starr auf das perfekt geschminkte Lippenpaar gerichtet, das nur wenige Zentimeter von seinem Gesicht entfernt war. Mit zusammengebissenen Zähnen lag er stocksteif da, während Francine Fournier die kleine grelle Stablampe abwechselnd auf das eine, dann auf das andere Auge schwenkte. Obwohl ihr Parfüm eine komplett andere Note hatte, so erinnerte es ihn dennoch an Colleen. So wie ihn alles automatisch an Colleen denken ließ.
    „Sie können sich wieder anziehen, Cristiano.“ Francine schaltete die Untersuchungslampe aus und setzte sich an ihren Schreibtisch. „Sieht alles bestens aus. Da Ihre Probleme verschwunden sind, sehe ich keinen Grund, warum Sie heute nicht fahren sollten.“
    „ Buono .“ Cristiano streifte sein T-Shirt über und stand von der Couch auf.
    Sie schaute von der Akte auf. „Ich nehme an, dass Sie darüber erleichtert sind?“
    „Ja, natürlich.“ Er zwang sich zu einem Lächeln. „Tut mir leid, ich bin etwas angespannt. Das vergeht, sobald ich da draußen bin.“
    Zumindest hoffte er das. Fahren und gewinnen, so hatte er seine Probleme immer gelöst. Wenn man mit zweihundert Meilen pro Stunde über eine Rennstrecke raste, blieb keine Zeit, um über irgendetwas anderes nachzudenken.
    „Eines noch …“ Francine nahm ein Blatt auf. „Es hat keine Auswirkung auf Ihre Verfassung für das Rennen, aber ich dachte, Sie möchten es vielleicht wissen. Ich habe Ihren Legasthenie-Test ausgewertet.“
    Cristiano erlaubte sich nicht die geringste Regung. „Und?“
    Francine runzelte die Stirn. „Wie es scheint, ist diese Schwäche bei Ihnen extrem stark ausgeprägt. Das muss doch in der Schule bemerkt worden sein. Hat man nie mit Ihren Eltern oder mit Ihnen darüber gesprochen?“
    „Nicht als ärztliche Diagnose. Meine unfassbare Dummheit jedoch wurde häufig erwähnt und war der ganzen Schule bekannt.“
    Francine nickte. „Glücklicherweise kommt eine solche Ignoranz heute nur noch selten vor. Ich bedaure ehrlich, dass Sie das haben mitmachen müssen. Leicht kann es nicht gewesen sein.“
    „Nein, das war es nicht.“
    Colleen hatte also recht gehabt. Sie hatte gleich verstanden, was ihn schon sein ganzes Leben belastete. Sie hatte Licht in eine Dunkelheit gebracht, die ihm immer undurchdringlich erschienen war.
    Francine musterte ihn nachdenklich. „Viel Glück heute beim Rennen, Cristiano.“
    „ Grazie .“
    „Und nochmals vielen Dank für den Champagner. Das wäre aber wirklich nicht nötig gewesen. Das Chalet steht viel zu oft leer. Es war mir ein Vergnügen, es Ihnen für ein paar Tage zur Vergügung zu stellen.“
    Er schenkte ihr ein weiteres Lächeln, bevor er zur Tür ging. „Das Vergnügen war ganz auf meiner Seite.“
    Alles nur eine Frage der Perspektive, dachte Colleen, als sie aus der Flugzeugfenster auf die Wüste hinunterschaute. Vor einer Woche noch hätte allein die Vorstellung eines siebenstündigen Flugs sie in ein nervliches Wrack verwandelt. Doch jetzt, durch die Verspätung der Maschine, konnte sie beim Landeanflug auf den Bahrain International Airport nur daran denken, dass das Grand Prix-Rennen in vierzig Minuten beginnen würde.
    Nur noch vierzig Minuten.
    Bitte, flehte sie inständig, lass mich noch rechtzeitig ankommen.
    Wenn ihn etwas beunruhigte, dann die fehlende Nervosität. Um ihn herum herrschte energiegeladene Hektik, doch Cristiano fühlte sich davon völlig unberührt. In der Innentasche seines Overalls, direkt über seinem Herzen,

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