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Die Sehnsucht der Konkubine

Die Sehnsucht der Konkubine

Titel: Die Sehnsucht der Konkubine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Furnivall
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EINS

    Russland 1930
    L ydia Iwanowa konnte nicht schlafen. Winzige Ratten bissen kleine Stückchen aus ihrem Gehirn. Seit ihrer Ankunft in Sowjetrussland waren die Nächte hart gewesen, und während der langen dunklen Stunden hatte sie das Gefühl gehabt, scharfe Zähne würden sich allmählich durch ihren Schädel fressen. Manchmal konnte sie sie riechen. Noch schlimmer, sie konnte hören, wie sie kauten.
    Es machte sie wütend, diesen Geräuschen lauschen zu müssen. Sie setzte sich in dem schmalen Bett auf, fuhr sich mit den Fingern durch ihre zerzauste Mähne, um dieses schreckliche Geräusch zu verjagen und all die Ratten an den Schwänzen herauszuzerren. Sie musste einen klaren Kopf behalten. Doch in diesem Hotel, einem von Stalins neuen Kaninchenbauten aus Beton, in denen sie sich nie zurechtfinden würde, waren die Nächte nur äußerst selten ruhig. Ständig verirrte sie sich, und das ärgerte sie. Sie konnte es sich nicht erlauben, sich zu verirren. Sie schloss die Augen auf der Suche nach dem hellen, warmen Plätzchen, das sie sich in ihrer Erinnerung aufbewahrt hatte, doch heute Nacht war das unmöglich. Im Zimmer nebenan schnarchte jemand so laut, dass die Wände bebten, und weiter hinten auf dem Flur war ein Paar in einen lautstarken Streit verwickelt.
    Lydia konnte es kaum erwarten, dass es endlich Morgen wurde. Am liebsten wäre sie aufgestanden und in dem winzig kleinen Zimmer auf und ab gegangen, begierig auf jeden einzelnen Schritt, doch allmählich lernte sie, sich zu beherrschen und ihren unstillbaren Lebenshunger zu zügeln. Um sich die Zeit zu vertreiben, öffnete sie den Reißverschluss des Geldgürtels, den sie sich um den Bauch gebunden hatte und nicht einmal bei Nacht ablegte. Zuerst zog sie ihren russischen Pass heraus. Im gelblichen Schein des Laternenlichts, das durch das Fenster hereinfiel, sah er eigentlich ziemlich echt aus. Aber er war gefälscht. Es war ein guter Pass, der sie mehr Geld gekostet hatte, als sie es sich eigentlich leisten konnte, trotzdem blieb ihr jedes Mal vor Angst das Herz stehen, wenn sie ihn vorzeigen musste.
    Als Nächstes zupfte sie ihren britischen Pass heraus und fuhr mit dem Finger über den in Gold geprägten Löwenkopf. Zwar war das wegen ihres englischen Stiefvaters ein echter Pass, doch ironischerweise stellte er für sie eine größere Gefahr dar als der russische. Sie hielt ihn gut versteckt zwischen den Rubeln in ihrem Geldgürtel, denn alle Ausländer, die töricht genug waren, ihren Fuß auf die schwarze Erde Sowjetrusslands zu setzen, wurden mit Adleraugen überwacht, schlimmstenfalls verhört und kamen ins Gefängnis.
    Schließlich überlegte sie, ob sie das Bündel Rubelnoten noch einmal zählen sollte, widerstand jedoch der Versuchung und hielt es bloß kurz abschätzend in der Hand. Es wurde immer leichter. Bei dem Gedanken, was es bedeutete, wenn ihr irgendwann das Geld ausgehen würde, entfuhr ihrer Kehle ein Geräusch, das wie ein Knurren klang. Rasch schob sie alles wieder in den Geldgürtel zurück und zog entschlossen den Reißverschluss zu, als wollte sie auch ihre Angst wieder einsperren.
    Unbewusst wanderte ihre Hand zu dem Lederriemen an ihrem Hals und zu dem Amulett, das daran hing. Es war ein Drache aus Quarz. Ein mächtiges chinesisches Symbol, das zartrosa war und sich angenehm an ihre Haut schmiegte. Sie schloss die Finger darum.
    »Chang An Lo«, flüsterte sie.
    Ihr Mund verzog sich zu einem Lächeln, während sie jenes helle, warme Bild vor ihrem inneren Auge aufsteigen sah, das sie so lange vermisst hatte. Sie schloss die Augen, und schon begannen ihre Füße zu laufen, sie flog über Eis und Schnee hinweg, spürte die Morgensonne, die mit goldenen Strahlen über ihre Haut strich, plötzlich waren ihre Füße nackt, ihre Zehen wühlten sich in körnigen Sand, und dort, neben schimmernden Wellen, tauchte eine menschliche Gestalt auf …
    Eine Tür fiel knallend ins Schloss, und das Bild vor Lydias innerem Auge verschwand. Tschort! Der Himmel draußen vor dem Fenster war noch immer so finster und undurchdringlich wie ihre eigenen Geheimnisse, doch jetzt hatte sie genug vom Warten und wälzte sich aus dem Bett. Sie zog den langen, braunen Mantel über, der ihr auch als Morgenrock diente, und tapste auf bloßen Füßen den Flur entlang zu dem Gemeinschaftswaschraum. Mit einem Gähnen stieß sie die Tür auf und stellte überrascht fest, dass drinnen bereits Licht brannte. Jemand stand an einem der Waschbecken.
    Es roch

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