Die letzte Schöpfung
verfügte Ramirez an vielen Orten über Kontaktleute und Spione.
Ethan nahm an, dass es sich mit Joe's Place nicht anders verhielt.
Vor ungefähr fünfzehn Minuten hatte er das Lokal verlassen. Nun rechnete er damit, dass der Barkeeper so schnell wie möglich das stille Örtchen aufsuchte. Der Mann würde glauben, unauffällig zu handeln, indem er eine Zeit lang wartete und dann das Münztelefon benutzte, statt den Apparat hinter der Theke zu nehmen.
Ethan brauchte nicht lange zu warten. Schon tauchte Joe auf und ging geradewegs aufs Telefon zu, ohne Ethan am anderen Ende des Korridors zu sehen. Er hob den Hörer ab, warf einen Vierteldollar in den Münzschlitz und wählte. Mit drei Schritten war Ethan bei ihm, griff über seine Schulter und drückte auf die Gabel.
»He, was…« Joe wollte sich umdrehen.
Ethan rammte ihn mit dem Gesicht gegen die Wand und drückte ihm das ungeöffnete Messer in den Rücken. »Hallo, Joe. Erinnerst du dich an mich?«
In diesem Augenblick trat einer der Billardspieler in den Korridor, das Queue in der Hand. »Was 'n hier los?«
»Wir unterhalten uns nur ein bisschen.« Ethan drehte sich ein Stück, sodass der Bursche die Glock sehen konnte. »Warum lässt du uns nicht in Ruhe?«
Mit erhobenen Händen wich der Kerl zurück. »Okay, Mann, ich such keinen Streit mit dir…«
»Dann zisch ab«, sagte Ethan.
»Klar.« Der Mann verschwand. Sekunden später hörten sie eine Tür zuschlagen.
»Sieht ganz so aus, als wollten uns deine Gäste endlich mal in Ruhe lassen«, sagte Ethan.
»Der Mann wird die Polizei rufen.«
»Er sah mir aber gar nicht nach einem gesetzestreuen Bürger aus.«
Schweiß glänzte auf Joes Stirn. »Was wollen Sie?«
»Wie schon gesagt, ich suche nach einem Freund von mir.«
»Ich habe Ihnen doch gesagt, ich weiß nicht…«
Ethan ließ das Messer aufschnappen und hielt es an Joes Wange. »Kommst du mir wieder auf die Tour?«
»Er bringt mich um, wenn ich's Ihnen sage.«
»Sieht so aus, als ob du in der Klemme steckst.«
Joe leckte sich die Lippen. »Ich weiß nichts über ihn. War letzte Woche jeden Abend hier. Trinkt ein, zwei Bier und geht dann wieder. Mehr weiß ich auch nicht.«
»Wen wolltest du anrufen?«
»Bitte…!« Joe wollte sich umdrehen, doch Ethan drückte ihn gegen die Wand.
»Komm schon, Joe.« Er konnte die Angst des Mannes förmlich riechen. »Muss ich dir noch alles aus der Nase ziehen?«
»Der Kerl hat gesagt, Sie würden kommen und nach ihm suchen. Ich soll ihn anrufen, wenn Sie auftauchen.«
Ethan lockerte seinen Griff ein bisschen. »Gib mir die Nummer.«
Zitternd wühlte der Mann in der Brusttasche und zog eine Visitenkarte heraus. Ethan nahm sie und las die Nummer, die auf der Rückseite notiert war. »Bist du sicher, dass du mich nicht verarschen willst, Joe?«
»Die hat er mir gegeben, ich schwör's.«
»Dann werde ich dir die Mühe ersparen und rufe jetzt selbst an.«
»Hören Sie, sagen Sie ihm bloß nicht, wo Sie die Nummer herhaben. Er bringt mich um, wenn er's rauskriegt.«
»Das glaube ich nicht.« Ethan trat zurück und gab den Nacken des Mannes frei. »Du hast ja schon gesagt, dass er mich erwartet. Jetzt bleibst du einfach hier stehen und zählst bis fünfzig, während ich mich auf die Socken mache.«
Joe rührte sich nicht vom Fleck, als Ethan das Messer senkte und rückwärts zum Ausgang glitt. Draußen klappte er das Messer zu und steckte es ein. Ein paar Querstraßen weiter zog er Annas Handy hervor und wählte die Nummer, die auf der Rückseite der Visitenkarte stand.
Ramirez nahm beim dritten Läuten ab. »Si?«
»Wie ich höre, wartest du auf mich.«
Leises Lachen drang durch die Leitung. »Du bist ja so berechenbar, amigo.«
»He, ich hab dich gefunden, ohne dafür jemand umbringen zu müssen. Wie gefällt dir das?«
»Ich wollte ja auch, dass du mich findest.«
»Hör zu«, sagte Ethan. »Ich hab keine Zeit für einen Wettstreit, wer am weitesten pinkeln kann. Du hast gesagt, du willst auf die Insel. Das will ich auch.«
»Warum hast du's dir anders überlegt?«
»Cox hat sich Sydney und das kleine Mädchen geschnappt.«
»Und nun willst du sie wiederhaben.«
»Ich will Cox und dieses verfluchte Straflager, das er da führt, vor aller Welt bloßstellen.« Ethan hielt das Handy ans andere Ohr und sah sich um. Niemand schien sich auch nur im Geringsten für ihn zu interessieren. »Und du hast Recht – ich will auch Sydney und das Mädchen befreien.«
»Was ist mit dem Jungen?«
»Der
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