Die letzte Schöpfung
stieg ein unheimliches Gefühl in ihr auf – die Gewissheit, dass er die Wahrheit sprach. »Kannst du es denn, Ethan? Kannst du mich beschützen?«
Er antwortete nicht sofort. »Vielleicht.«
Zornig starrte sie ihn an, machte sich los und wich vor ihm zurück.
Die Tür wurde aufgestoßen, und zwei Polizisten drängten in die Wohnung. Sie hielten ihre Pistolen im Anschlag und zielten auf Ethan. »Halten Sie die Hände so, dass wir sie sehen können.«
Langsam, sehr langsam gehorchte er. »Sie machen einen Fehler, Officer.«
»Geht es Ihnen gut, Dr. Decker?« Einer der Männer stellte sich an ihre Seite.
Sydney hielt den Blick auf Ethan gerichtet, der unter den gegebenen Umständen bemerkenswert ruhig war. Gefährlich ruhig. »Ja, ich…«
»Sag ihnen, dass sie einen Fehler machen, Sydney!«, drängte Ethan. »Sag ihnen, dass ich dein Mann bin und einige Zeit nicht in der Stadt war. Ich hab dich heute Morgen überrascht, deshalb hast du sie gerufen.«
Die Polizisten wirkten verunsichert. »Was ist hier los, Dr. Decker?«
Sydney zögerte, zwischen widerstrebenden Empfindungen hin und her gerissen. Einerseits wollte sie Ethan vertrauen und an jenen Mann glauben, mit dem sie verheiratet gewesen war und den zu lieben und achten sie gelobt hatte. Doch ein anderer Teil von ihr, die Vernunft, sperrte sich dagegen. Vor drei Jahren hatte er den Treueid gebrochen, und nun war er fast gewaltsam in ihre Wohnung eingedrungen, hatte mit einer Waffe herumgefuchtelt und eine wirre Geschichte von tödlicher Bedrohung erzählt. Wie, um alles in der Welt, sollte sie ihm noch vertrauen?
»Es ist alles in Ordnung«, sagte sie zu dem Uniformierten neben ihr. »Aber dieser Mann ist nicht mein Ehemann. Nicht mehr.«
Ethan wurde ganz still; es war eine beinahe unmerkliche, dafür umso erschreckendere Veränderung. Nachdem Sydney die Beziehung zwischen ihnen geleugnet hatte, war er plötzlich ruhiger geworden, aufmerksamer. Hatten die Polizisten die Veränderung ebenfalls gespürt? Sydney schaute die Männer an. Nein, sie hatten nichts gemerkt. Bei dem Gedanken, dass Ethan keinesfalls die Absicht hatte, sich von diesen Männern in Gewahrsam nehmen zu lassen, überlief es sie eiskalt.
In diesem Moment fiel ihr wieder seine Pistole ein. »Passen Sie auf, er hat…«
Plötzlich hörte sie hinter sich ein leises Knarren. Ethan fuhr herum, die Waffe schussbereit erhoben. »Duck dich!«
Sydney hatte noch nicht ganz begriffen, da hörte sie schon ein leises ›Plopp‹. Auf der Brust des Officers neben ihr breitete sich ein roter Fleck in Form einer Rose aus. Sie warf sich nach hinten. Der Schrei blieb ihr in der Kehle stecken. Mit weit aufgerissenen Augen stürzte der junge Officer zu Boden.
Dann knallten mehrere Schüsse. Glas splitterte. Ethan riss Sydney zu Boden, und der Aufprall bewirkte, dass der Schrei sich endlich aus ihrer Kehle löste. In diesem Augenblick erwischte es den zweiten Officer. Seine Hand mit der Pistole fuhr nach oben, bevor er den Abzug betätigt hatte, während er vor Schmerz und Überraschung laut aufschrie.
Instinktiv wollte Sydney zu ihm kriechen, doch Ethan hielt sie zu Boden gedrückt und schirmte sie ab, während er in Richtung Balkon feuerte. Einen Schuss. Zwei. Die große Glastür zersprang und schüttete einen Hagel von Splittern über eine schattenhafte Gestalt, die eilig über das Balkongeländer kletterte.
Ethan ließ Sydney los, ging zu dem einen, dann zu dem anderen Officer und schaute nach, ob sie noch Lebenszeichen von sich gaben. Sydney kroch heran, um zu helfen, und wollte sich um den jungen Mann kümmern, der Sekunden zuvor noch neben ihr gestanden hatte. Doch bevor sie mehr tun konnte, als ihm mit zitternden Fingern den Puls zu fühlen, hatte Ethan sie schon am Arm gepackt und hochgezogen.
»Wir müssen schnellstens hier raus!«, mahnte er.
»Nein, warte.« Sie versuchte sich loszureißen. »Lass mich zuerst…«
Sein Griff wurde fester. »Du kannst nichts mehr für sie tun.«
»Ich muss doch…«
»Sie sind tot, Sydney.« Er sprach mit kalter, harter Stimme – der Stimme eines Fremden. »Komm jetzt, sonst sind wir die Nächsten.«
Er drängte sie zum Hintereingang.
Vor Schreck wie gelähmt, ließ sie sich auf die Treppe führen. »Wie konnte dieser Mann … wir sind doch hier im zwölften Stock.«
»Mit 'ner Kletterausrüstung«, antwortete Ethan knapp, ohne sein Tempo zu verlangsamen. »Er hat sich entweder vom Dach oder von einem Balkon runtergelassen.«
»Aber…« Sie
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