Die Libelle
waren, diese nach der zwischen der Botschaft und den Bonner Sicherheitsbehörden geschlossenen Vereinbarung aber auch nicht vorgesehen waren. Das Haus des israelischen Botschafters drei Straßen weiter wurde rund um die Uhr bewacht. Ein grünes Polizeiauto stand davor Wache; ein Metallzaun lief um das Gründstück herum; und jeweils zwei Sicherheitsbeamte, die viel zu jung waren, als dass sie die Ironie der Geschichte, die ihr Hiersein bedeutete, in irgendeiner Weise hätten anfechten können, patrouillierten pflichtschuldigst mit Maschinenpistolen bewaffnet durch den Garten. Für den Botschafter gab es außerdem einen kugelsicheren Wagen und eine Motorrad-Eskorte der Polizei. Er war schließlich Botschafter und Jude zugleich; infolgedessen hieß es, bei ihm doppelt gut achtzugeben. Dagegen ein einfacher Arbeits-Attache, nun, das war doch wohl etwas anderes, und man soll nicht übertreiben. Sein Haus fiel unter den allgemeinen Schutz der Streifenwagen, die im Diplomatenviertel patrouillierten, und man konnte nichts weiter sagen, als dass das Haus eines Israelis selbstverständlich Gegenstand besonderer Wachsamkeit sei, wie die Fahrtenbücher der Polizei bewiesen. Als weitere Vorsichtsmaßnahme würden die Namen der israelischen Botschaftsangestellten nicht in den offiziellen diplomatischen Listen geführt, aus Angst, man könne zu irgendwelchen impulsiven Taten ermutigen; schließlich war Israel im Augenblick nicht ganz leicht zu verknusen. Politisch gesehen.
Kurz nach acht an besagtem Montagmorgen schloss der Arbeits-Attache seine Garage auf und untersuchte wie üblich die Radkappen sowie- mit Hilfe eines an einem Besenstiel befestigten Spiegels, den man ihm eigens zu diesem Zweck gegeben hatte - den Unterboden seines Autos. Das wurde von dem Onkel seiner Frau, der mit ihm fuhr, bestätigt. Der Arbeits-Attache sah auch unter den Fahrersitz, ehe er den Zündschlüssel umdrehte. Diese Vorsichtsmaßregeln waren für alle im Ausland tätigen israelischen Beamten verbindlich eingeführt worden, seit die Bombenattentate angefangen hatten. Er wusste wie alle seine Kollegen, dass es nur etwa vierzig Sekunden dauert, eine gewöhnliche und handelsübliche Radkappe mit Sprengstoff zu füllen, und dass es noch weniger Zeit erfordert, eine Haftbombe unter dem Benzintank zu platzieren. Wie alle seine Kollegen wusste er auch - und das war ihm seit seinem verspäteten Eintritt in den diplomatischen Dienst eingebleut worden -, dass viele Leute ihn mit Freuden in die Luft jagen würden. Froh, dass das Auto in Ordnung war, sagte er seiner Frau und seinem Sohn auf Wiedersehen und fuhr zur Arbeit.
Hinzu kommt noch, dass das Au-pair-Mädchen der Familie, eine über jeden Verdacht erhabene junge Schwedin namens Elke, gemeinsam mit ihrem gleichfalls über jeden Verdacht erhabenen deutschen Freund Wolf, der gerade Urlaub von der Bundeswehr hatte, in den Westerwald gefahren war, um dort eine Woche Urlaub zu machen. Wolf hatte Elke am Sonntagnachmittag mit seinem VW-Kabrio abgeholt, und jeder, der am Haus vorüberkam oder sonst zusah, hätte sehen können, wie sie zum Weggehen gekleidet aus der Vordertür kam, dem kleinen Gabriel einen Abschiedskuss gab und sich fröhlich winkend vom Arbeits-Attache verabschiedete, der an der Tür stehen blieb, um ihr nachzusehen, während seine Frau, die mit Leidenschaft frisches Gemüse zog, im Garten hinter dem Haus weiterarbeitete. Elke war seit einem Jahr oder noch länger bei der Familie und nach den Worten des Arbeits-Attaches ein beliebtes Mitglied des Haushalts.
Diese beiden Umstände - die Abwesenheit des beliebten Au-pair-Mädchens sowie das Fehlen eines besonderen polizeilichen Schutzes - hatten das Attentat möglich gemacht. Und dass es erfolgreich hatte verlaufen können, lag an der verhängnisvollen Gutmütigkeit des Arbeits-Attaches selbst.
Am selben Sonntagabend klingelte es um sechs Uhr - also zwei Stunden nach Elkes Abfahrt-, während der Arbeits-Attache sich in einem religiösen Disput mit seinem Gast herumschlug und seine Frau wehmütig deutschen Boden bearbeitete, an der Haustür. Einmal. Wie immer spähte der Arbeits-Attache durch das Guckloch, ehe er aufmachte. Und wie immer griff er, während er hinausspähte, nach seinem Dienstrevolver, obwohl ihm nach den örtlichen Bestimmungen das Tragen von Schusswaffen untersagt war. Doch alles, was er durch die kleine Linse sah, war ein etwa ein- oder zweiundzwanzigjähriges blondes, recht zartes und freundlich aussehendes Mädchen, das
Weitere Kostenlose Bücher