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Die Liebe atmen lassen

Die Liebe atmen lassen

Titel: Die Liebe atmen lassen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Schmid
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angestachelt von der Sehnsucht, sämtliche Zusammenhänge erkennend zu durchdringen. Mithilfe des gewonnenen Wissens lassen sich Techniken bauen, die der Sehnsucht vieler Menschen nach Überwindung natürlicher Grenzen Genüge tun, etwa mit Autos und Flugzeugen, die eine grenzenlose Bewegung ermöglichen, auch mit Raketen, deren eigentlicher Brennstoff die Sehnsucht ist, sogar die Grenzen des Planeten noch hinter sich zu lassen. In der Politik sollen endlose Reformen und Revolutionen die ersehnte »beste aller Welten« herstellen. Und die Wirtschaft offeriert immer neue Produkte, an denen sich die Sehnsucht der Konsumenten entzünden kann (Eva Illouz, Konsum der Romantik , 1997; Wolfgang Ullrich, Habenwollen , 2006).
    Das ewig unbefriedigte Sehnen befeuert den Fortschritt, die stetige Vorwärtsbewegung der modernen Zeit – und wird doch regelmäßig unterbrochen von der Gegenbewegung , die dem Vorwärtsdrang wieder Zügel anlegt: Jede Befreiung von Bindungen der Religion, Tradition, Konvention und Natur mündet in eine neuerliche Sehnsucht nach ihrer Wiederherstellung . Die Romantik selbst, die sich vom Wirklichen wegsehnt, wird postwendend zur Sehnsucht nach der verlorenen Wirklichkeit, um sie, kaum wiedergefunden, erneut zu überwinden. Ihr Sehnen unterläuft nicht nur jedes Arrangement mit dem Wirklichen mit Blick auf das Mögliche, sondern wendet sich auch wieder zurück auf das Wirkliche, in dem allein das Leben gelebt werden kann: Von der Enge weg und wieder zu ihr hin, vom momentanen zu einem anderen Leben und wieder zurück, aus dem Leben heraus und wieder ins Leben zurück. Auch politisch eröffnet die Romantik gegensätzliche Perspektiven zwischen der utopischen Sehnsucht nach neuen, idealen Verhältnissen und der nostalgischen Sehnsucht nach einerWiederherstellung alter, realer Verhältnisse, und dann wieder von vorne. Diese ständige Polarisierung ins Gegensätzliche erzeugt eine Schaukelbewegung des Lebens, die nie aufhört. Im Hin und Her dazwischen geschieht die Entwicklung als kaum wahrnehmbarer Übergang einer schlechteren Gegenwart zu einer besseren Zukunft. Dem dualen Anliegen, wenn nicht gar dem Dilemma der Romantik zwischen Potenzierung und Polarisierung verlieh Friedrich Hölderlin in seinem Hymnenentwurf Mnemosyne um 1805 den gültigen Ausdruck: »Und immer / Ins Ungebundne gehet eine Sehnsucht. Vieles / aber ist / Zu behalten.«
    Der Überschwang der Sehnsucht , die über die endliche Wirklichkeit hinaus den unendlichen Raum der Möglichkeiten auftut, erschwert allerdings auch jede Rückkehr zur Wirklichkeit, in der allein sie erfüllbar ist. Gerade dann, wenn die Unendlichkeit und Unbegrenztheit der Möglichkeiten erfahren worden sind, werden die Endlichkeit und Begrenztheit der Wirklichkeit besonders schmerzlich empfunden. Aus diesem Grund folgt nicht etwa nur der unerfüllten , sondern auch der erfüllten Sehnsucht eine Enttäuschung, denn das unendliche Streben, das sein Ziel erreicht, wechselt die ontologische Ebene und verschließt damit den Horizont des Unendlichen. Sich nach Liebe zu sehnen, ist Eines, ein Anderes aber, sie wirklich zu erfahren, denn das macht alsbald die Bedingungen der Endlichkeit wieder spürbar. Sehnsuchtsvoll erwartet, gewinnt der geliebte Andere eine ideale Gestalt , mit allen wünschenswerten Eigenschaften, reichhaltigen Möglichkeiten, göttlichen Konturen: Sein Blick, seine Stimme, sein Geruch, seine Gestik, seine Eigenart, sein Wohlwollen. Die wirkliche Begegnung aber macht klar, dass die reale Gestalt des Anderen eine bestimmte, begrenzte Wirklichkeit verkörpert, mit den üblichenEinbußen und Misslichkeiten. Zwar birgt der Andere, wie ich selbst, einigen Reichtum an Möglichkeiten in sich, die nacheinander , im Laufe der Zeit entfaltet werden können. Aber der Gedanke daran liegt im Moment ganz fern und ändert nichts an der Enttäuschung der Erfüllung jetzt . Ich laste sie dem Objekt der Sehnsucht an, das »nichts bringt«, oder mir selbst, da ich mich vom untauglichen Objekt »täuschen ließ«, seltener mir eingestehe, in der eigenen Wirklichkeit sehr begrenzt zu sein. Niemand trägt Schuld daran, es geschieht nicht böswillig, nicht zufällig, sondern zwangsläufig, da die Ontologie, die Logik des Seins, es so will und auf der Differenz von Möglichkeit und Wirklichkeit beharrt. Alle Wirklichkeit kann immer nur eine endliche, begrenzte sein, nie kann sie den unendlichen, unbegrenzten Möglichkeiten entsprechen.
    Mit der Erfüllung verliert die

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