Nur weil ich dein Chef bin
1. KAPITEL
Parker Garrison betrat den Konferenzraum der „Garrison Incorporated“. Im ersten Moment wurde er von dem gleißenden Sonnenlicht geblendet, das sich auf der Wasseroberfläche der Biscayne Bay brach und durch die riesigen Fenster hindurch ins Zimmer schien. Die Silhouetten seiner Geschwister, seiner Mutter und einiger teurer Anwälte waren nur schwer zu erkennen. Trotzdem fielen Parker sofort drei Dinge auf. Zum Ersten: Es wurde kein Wort gesprochen. Kein einziges. Nicht, dass er bei der Testamentseröffnung seines Vaters eine Partystimmung erwartet hätte. Trotzdem war es einfach unnatürlich, dass eine Zusammenkunft der Garrisons so friedlich verlief. Immerhin waren sie eine, um es behutsam auszudrücken, recht eigenwillige Familie.
Zweitens: Seine Mutter schien relativ nüchtern zu sein. Es war zwar erst acht Uhr dreißig am Morgen, und selbst Bonita Garrison griff selten schon vormittags zur Flasche – wenn man die Bloody Marys nicht mitzählte, die sie in Vorbereitung auf sonntägliche Familiendinner verbrauchte. Doch seit dem Tod ihres Mannes vor zwei Wochen suchte sie immer früher am Tag ihren Trost im Alkohol.
Drittens und ganz besonders bedeutsam: John Garrisons Sessel am Kopf des langen Kirschholztisches war leer. Ein Zustand, den Parker in Ordnung zu bringen gedachte.
Seine Schwester Brittany gab einen erstickten Laut von sich, als er sich lässig auf das butterweiche Leder des Sessels fallen ließ, der seinem Vater gehört hatte, und den elektronischen Organizer vor sich legte.
„Du setzt dich in … in seinen Sessel?“, fragte Brittany empört.
„Er ist schließlich leer.“ Parker ignorierte den Vorwurf, dass er sich in das Revier seines Vaters drängte. Er hatte alles Recht dazu. Er war der Älteste, und er hatte die Dachgesellschaft der Familie in den letzten fünf Jahren geleitet, seit ihm sein Vater zum einunddreißigsten Geburtstag den Vorstandsposten angeboten hatte.
Auch alle übrigen Geschwister waren im Familienkonzern beschäftigt. Jeder von ihnen besaß eine der Immobilien, ob es nun das Grand Hotel war, ein Klub, ein Restaurant oder ein Wohnhauskomplex. Parker hatte sich diesen Sessel verdient, und nicht nur, weil er der Erstgeborene war, sondern vor allem durch harte Arbeit, Mut und ein paar brillante Entscheidungen zum Wohl der Firma.
„Es ist respektlos“, fuhr Brittany ihn an. Ihre braunen Augen funkelten böse. „Unserem Vater gegenüber.“
Brooke tätschelte beschwichtigend die Hand ihrer Schwester. „Beruhige dich, Britt. Irgendwo muss er doch sitzen.“
Parker warf Brooke einen dankbaren Blick zu und wunderte sich nicht zum ersten Mal, wie unähnlich sich die Zwillingsschwestern doch waren. Brooke schenkte ihm ein Lächeln, das ihr hübsches Gesicht noch freundlicher wirken ließ und den Kontrast zu Brittanys harten Zügen umso mehr betonte.
Den Zwillingen gegenüber saß Stephen, der Parker vom Alter her am nächsten war. Stephen verschränkte die Hände hinter dem Kopf und streckte seinen hochgewachsenen muskulösen Körper, der, genau wie die charakteristische Kerbe am Kinn, allen männlichen Garrisons eigen war. Ein amüsiertes Lächeln umspielte seine Lippen. Stephen war noch immer sonnengebräunt von einer Reise, die er erst kürzlich mit seiner Zwanzig-Meter-Jacht unternommen hatte.
„Sitz ruhig, wo du willst, großer Bruder“, sagte er gedehnt. „Er benutzt zwar den Sessel nicht mehr, aber ich denke, wir werden gleich die Hand unseres lieben Vaters in jedem Winkel des Raumes spüren.“
Parker runzelte die Stirn und folgte dem Blick seines Bruders hinüber zu der eindrucksvollen Gestalt von Brandon Washington, dem jungen brillanten Anwalt, der die Angelegenheiten der Familie regelte. Brandon hatte die Lippen fest zusammengepresst, während er konzentriert einige Dokumente ordnete und vor sich auf den Tisch legte. In diesem Moment sah er auf und begegnete Parkers Blick.
Was auch immer Brandon in John Garrisons Testament gelesen haben mochte, der warnende Ausdruck in seinen Augen war eine eindeutige Botschaft: Das wird dir nicht gefallen.
Parker bewegte sich unruhig auf seinem Sessel hin und her und zwang sich, das merkwürdige Gefühl zu ignorieren. Was konnte schon im Testament stehen, das ihm nicht gefallen würde? Nichts außer der Firma war ihm wichtig. Die Immobilien, das Vermögen – all das kam erst an zweiter Stelle nach der Dachgesellschaft, deren Profite in die restlichen Projekte investiert wurden.
Und er, Parker Garrison,
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