Die Liebe zur Zeit des Mahlstaedter Kindes
herum. Ich war verloren, ich schlug und trat um mich, er fing alles ab, verpasste mir eine entsetzliche Ohrfeige, sodass für einen Augenblick alles in ein grünliches Blau getaucht war und sich langsamer bewegte als sonst. In einem letzten Versöhnungsversuch wollte ich ihn um die Taille fassen, aber ich lief nur in die Falle – zuerst drehte er mir den Arm auf den Rücken,dann warf er mich um, sodass mein Gesicht auf dem Boden aufschlug, und setzte sich auf mich. Ich japste und grunzte hilflos, bekam kaum noch Luft, meine Stimmbänder gaben, wenn ich sprechen wollte, nur ein hündisches Knurren her.
Bernd drückte ein Knie in meinen Rücken, zwischen meine Schulterblätter, immer fester. Ich merkte, dass seine Bestrafung ihm außer Kontrolle zu geraten drohte, und versuchte deshalb, ein wenig zu winseln, vielleicht sogar zu weinen. Aber der brennende Schmerz und die ohnmächtige Wut hielten die Tränen zurück, ich schluchzte ein wenig, sehr leise, da ich fast keine Luft bekam. Bernd ließ nicht locker, ich wand mich unter ihm, er versetzte mir ein paar Kopfnüsse, dann rutschte ihm die Faust aus, und er schlug viel zu kräftig zu, sodass mein Gesicht ein zweites Mal auf den Boden knallte, wieder mit Nase und Lippe zuerst. Dann hörte er endlich auf, sein Griff wurde lockerer, leichter zu ertragen, sein Gewicht hob sich von meinem zerquetschten Brustkorb. Endlich war ich frei. Bernd stand hinter mir und schnaufte. Ich begann zu weinen.
Er stieg über mich hinweg und verschwand im Badezimmer. Ich hörte den Wasserhahn zischen, den Spiegelschrank mit den Medikamenten auf- und zugehen.
Nachdem er mich verdroschen hatte, kam er nicht mehr zurück, sondern ließ mich einfach dort liegen, wo er mich auf den Boden geworfen hatte. Mein Lippe war aufgesprungen, und mir war sehr schwindlig – Blut sammelte sich unter mir – Blut überall, Blut auf meinen Händen, sogar auf meiner Armbanduhr, ich kroch auf allen vieren zum Heizkörper und lehntemich dagegen, presste meine Wange gegen das kalte Metall.
Das ist das Ende, dachte ich. Ich werde sterben.
Ich lag in meinem Elend, eingerollt in Zorn und Hilflosigkeit wie eine einsame, geballte Faust in einem engen Handschuh. Meine Füße schwitzten unter der Decke, aber ich ließ sie, wo sie waren.
Wenn ich die Augen schloss, flimmerte der Rand meines Gesichtsfelds. Ich rieb mir die Augen, und es wurde davon nur schlimmer. Reglos wartete ich, dass das Flimmern verschwand, aber es blieb. Also machte ich die Augen wieder auf.
Ein Bild an der Wand starrte mich an: ein krakeliges Selbstporträt, das ich in der Schule gemalt hatte. Es lachte, dumm und unbeschwert, wie eine Zielscheibe.
Meine Stirn glühte, und ich hatte Schwierigkeiten zu atmen. Zumindest bildete ich mir das ein. Mein Oberkörper hob und senkte sich, also atmete ich wohl, aber wenn ich den Mund öffnete, war sein Inneres so heiß, dass ich das Gefühl hatte, es käme keine Luft durch.
Meine Mutter war inzwischen einige Male bei mir gewesen und hatte auf mich eingeredet. Ich bettelte ständig um ein Fieberthermometer, aber sie reagierte nicht darauf.
In meinem Zimmer hörte ich, wenn ich die Augen schloss, einen Bach rauschen. Der glühende Lichtspalt unter der Tür kam manchmal bedrohlich näher, als wollte er meine Stirn berühren, und entfernte sich wieder. Ich fühlte seine Hitze und zuckte davor zurück.
Ich versuchte zu schlafen, aber es ging nicht. Draußen vor der Tür waren Stimmen, manchmal flüsternd, manchmal lauter, die sich unterbrachen, überlagerten, verdrängten. Ein ganzes Treppenhaus aus Stimmen.
Ich rollte mich auf die Seite. Der glühende Türspalt folgte mir, legte sich mir wie ein heißer Brennstab an die Wange. Ich wollte ihn wegwischen, aber er bestand nur aus Licht, und meine Hand fuhr mitten hindurch. Alles geriet in Unordnung. Meine Finger verhedderten sich in einer Falte des Bettbezugs. Sie war eigentlich nicht besonders tief, aber ich konnte meine Finger nicht mehr aus ihr herausziehen. Die Falte hielt sie zurück wie ein Fisch die Angelschnur.
Es musste der Zirkus sein.
Ich sah Inge, die in unserer Küche saß und ein kleines Ferkel im Arm hielt. Manchmal kommt es vor, dass ein Ferkelchen verstoßen wird. Die Mutter behandelt es wie einen Eindringling und verjagt es. Das Ferkel versteht die Welt nicht mehr und starrt seine Mutter aus der Ferne verwirrt an. Inge deutet auf den Nacken des Ferkels.
Dann dreht Inge, die gleichzeitig die Mutter des Ferkels ist, plötzlich nur
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