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Die linke Hand Gottes

Die linke Hand Gottes

Titel: Die linke Hand Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Hoffman
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Wut und Furcht noch verdoppelten Kraft. Doch Conn steckte fest, ein Soldat unter ihm, drei über ihm, tausend Pfund tote Masse schlossen ihn ein. Cale machte einen erneuten Versuch. Vergeblich. »Tut mir leid, Junge«, sagte er zu Conn. »Die Zeit ist abgelaufen.«
    Ein heftiger Stoß in den Rücken warf ihn zu Boden. Erschrocken wand er sich im Morast, griff nach seinem Schwert und versuchte, sich strampelnd vor seinem Angreifer in Sicherheit zu bringen.
    Ein Pferd hatte ihn getreten. Nun stand es da, schaute ihn an und schnaubte erwartungsvoll. Cale starrte das Tier an. Da sein Reiter offenbar tot war, suchte es jemanden, der es aus dem Schlachtgetümmel führte. Sogleich nahm Cale das am Sattel hängende Seil, befestigte es am Sattelknauf und beeilte sich, das andere Ende um Conns Brust zu schlingen. Dessen Gesichtsfarbe war mittlerweile tiefdunkel, seine Augen blicklos. Zum Glück war das Seil dünn, aber steif, eher zur Dekoration als zum praktischen Gebrauch bestimmt, dadurch aber leicht unter Conns Armen hindurchzuführen. Er verknotete es fest und wollte sich dann in den Sattel schwingen. Aber er rutschte aus und fiel in den Morast. Die Lücke zwischen den Materazzi wurde unterdessen immer schmaler. In höchster Verzweiflung hielt er sich am Sattelknauf fest und schrie dem Pferd ins Ohr. Vor Schreck zuckte es und wollte lossprengen. Mit der ganzen Kraft eines Schlachtrosses, das dreihundert Pfund zu tragen gewohnt war, stemmte es sich in den rutschigen Morast. Zuerst bewegte sich nichts, aber dann kam Conns rechtes Bein unter dem Haufen der ihn erdrückenden Leichen frei. Unter dem plötzlichen Schwung wäre das Pferd beinahe gestürzt und Cale mit ihm. Doch dann kamen alle drei frei und bewegten sich langsam auf die Lücke zu. Das Pferd war kräftig und stapfte unverdrossen weiter, glücklich, wieder einen Reiter auf dem Rücken zu haben, der es aus dem Chaos ringsum lenken würde. Sein Instinkt, der es schon seit einer Viertelstunde sicher durch das Getümmel geführt hatte, verließ es auch jetzt nicht. Cale schmiegte sich so eng wie möglich an den Pferderücken und hielt das Messer bereit, das Seil zu zerschneiden, falls Conn irgendwo hängen bleiben sollte. Doch der Morast, der schon vielen Materazzi das Leben gekostet hatte und weiterhin kostete, wurde Conns Rettung. Wie ein Schlitten im Schnee folgte sein bewusstloser Körper jeder Richtung, in die er gezogen wurde. Cale trieb das Pferd mit seinen Hacken an. Dabei sah er nicht die beiden Erlöser, die sich dem stetig, aber langsam stapfenden Pferd näherten. Ihm entging auch, wie sie laut vor Entsetzen aufschreiend stürzten, beide waren Kleists und Henris todbringender Aufmerksamkeit zum Opfer gefallen.
    In weniger als drei Minuten hatte das Pferd den Weg durch die Gasse zwischen den drängenden Materazzi zurückgelegt und ohne viel Aufhebens Cale und Conn vom Schlachtfeld gerettet. Nun folgten sie einem schmalen Pfad zwischen Silbury Hill und den undurchdringlichen Wäldern. Als sie außer Sichtweite waren, hielt Cale das Pferd an und stieg ab, um nach Conn zu schauen. Der sah aus wie ein Toter, atmete aber noch. Cale befreite ihn von der Rüstung und legte ihn, mit dem Bauch nach unten, über den Sattel. Ohne zu Bewusstsein zu kommen, stöhnte Conn die ganze Zeit über vor Schmerzen, die von gebrochenen Rippen und einem gebrochenen Bein kamen. Cale führte das Pferd am Halfter, und nach fünf Minuten ließ der Schlachtenlärm nach. Dann war nur noch der Gesang von Amseln und das Säuseln des Windes in den Blättern zu hören.

    Eine Stunde später überkam Cale eine unwiderstehliche Müdigkeit. Er suchte nach einer Öffnung in den Wald, fand keine und musste sich mit dem Schwert einen Weg durch dichtes Dornengestrüpp schlagen. Die stacheligen Zweige zerkratzten ihm Gesicht und Arme. Nachdem er sich durch das Gestrüpp am Waldesrand gekämpft hatte, lichtete sich die Vegetation, und vor ihnen tat sich eine Lichtung auf. Cale band das Pferd an, dann hob er Conn behutsam aus dem Sattel und legte ihn auf den Boden. Ein paar Minuten lang schaute er ihn an, so als könne er sich nicht erklären, was sie beide hierhergebracht hatte. Er richtete Conns gebrochenes Bein so behutsam wie möglich gerade und schiente es mit zwei Ästen, die er von einem Eschenbaum schnitt. Dann legte er sich selbst hin und fiel in einen tiefen Schlaf.
    Nach zwei Stunden wachte er aus Albträumen wieder auf. Conn Materazzi, totenbleich im Gesicht, lag immer noch bewusstlos da.

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